Donnerstag, 31. März 2011

Die Waffen scharf halten

Er sagt: Was ist denn das für Musik, die du da aufgelegt hast?
Sie sagt: Wir können auch andere Musik hören.
Er sagt: Nein, nein, ich wollte nur wissen, was wir da hören.
Sie: Es gefällt dir nicht.
Er: Laß es ruhig, ich wollte wirklich nur wissen, was wir da hören.
Sie: Na, du hast doch wieder diesen Blick gehabt. Dabei kreuzt sie Zeige- und Mittelfinger und deutet sich auf die Augen.
Er: Was denn für einen Blick, ich wollte nur …
Und da ist sie wieder, diese Spannung zwischen manchen (allen?) Paaren, dieser Ton, der, obwohl äußerlich frotzelnd, quasi nur die Form wahrend ins Ernste und streitbar Verhandelnspflichtige hineinreicht. Daß man als Unbeteiligter sofort das Gefühl hat, Zeuge eines Oberflächengekräusels von Auseinandersetzungen zu sein, die so schon oft zwischen den beiden ausgetragen worden sind: Und immer geht es dabei um etwas anderes als die Frage nach dem Musikgeschmack oder ob die Schwefelquellen auf Island gestunken haben oder nicht:
Sie, auf meine Frage nach dem Geruch der Schwefelquellen: Klar, das stinkt.
Er, im Brustton der Überzeugung: Die stinken nicht.
Verwirrend ist nun, daß das folgende, immer in jenem halb ernsten, halb spaßigen Ton gehaltene Gezänk mit einer Ausdauer und sacht spaßhaften Erbitterung geführt wird, als habe sie eigentlich seinen Körpergeruch, nicht den der Schwefelquellen gemeint. Etwas Persönliches. Jedenfalls scheint es ihm mindestens ebenso wichtig, daß die vulkanisch erhitzten Quellen nicht gestunken haben, wie jemandem höchstens der eigene Körpergeruch Anlaß zur Beunruhigung sein mag. Immer wieder, wir sind im Gespräch schon bei was ganz anderem, kommt er darauf zurück, fragt in eine Pause hinein, Sag mal, haben die wirklich gestunken? Findest du echt? Er buhlt darum, von ihr recht zu bekommen, man merkt ihm an, daß ihm ihr Widerspruch keine Ruhe läßt. Aber was für ein Widerspruch eigentlich? Man könnte sich doch, um eine bedrohlich auf die Lächerlichkeit zusteuernde Debatte abzuschließen, darauf einigen, daß ihre Nase eben feiner ist als seine. Daß sie empfindlicher ist als er. Oder daß sie sich in größerer Nähe zu dem Geblubber oder den Schwefeleffloreszenzen aufgehalten hat. Dann könnten beide recht behalten und, wenn es wirklich so wichtig ist, das Gesicht wahren. Es ginge dann ja wirklich nur um den Geruch irgendwelcher Vulkane. Sie suchen diese Lösung aber nicht, nicht einmal vor einem Gast, nicht einmal, um einem unbeteiligten Dritten das alberne Gezänk zu ersparen. (Ich finde es wirklich peinlich und schweige betreten.) Also muß es ihnen um etwas anderes gehen, nicht um die Vulkane und überraschenderweise auch nicht ums Rechthaben oder wenigstens den Anschein desselben. Man wird nicht schlau daraus. Und es kommt ständig vor, fast alle mir befreundeten Paare zeigen dieses Verhalten. Worum geht es?
Vielleicht, denke ich manchmal, geht es nur darum, für den Beziehungsernstfall zu üben und die Messer scharf zu halten.

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