Ludus Latinus

Freitag, 1. Juli 2011

Hausaufgaben

Amüsant: An den Suchbegriffen, mit denen meine Seite gefunden wird, läßt sich manchmal ablesen, welcher lateinische Text gerade besonders oft als Hausaufgabe gegeben wird: Letzte Woche war es Seneca über die Zeit (ita fac, mi Lucili, Sie kennen das sicher noch) und eine Passage aus der Ars von Ovid. Heute dagegen scheinen sich mehrere Schüler an Martial 5,58 abzumühen.

Da kann man nur viel Erfolg wünschen.

Dienstag, 29. Juni 2010

Martial III, 87

Narrat te rumor, Chione, numquam esse fututam
    atque nihil cunno purius esse tuo.
Tecta tamen non hac, qua debes, parte lauaris:
    si pudor est, transfer subligar in faciem.

Chione, man sagt, es habe gefickt dich noch keiner,
    und nichts Reineres gäb’s, als deine Möse, weithin.
Trotzdem wäschst du dich nicht an der Stelle, wo du es müßtest:
    Wenn du Schamgefühl hast, häng dir den Rock
vor’s Gesicht.

Mittwoch, 2. September 2009

Latrina latina

Gestern fragte mich mein Nachhilfeschüler nach dem lateinischen Ausdruck für „kacken“. Seien wir nachsichtig, er ist 13, und man darf noch froh sein, daß er nicht nach solchen Vokabeln fragt, wie sie allenfalls in manchen Catullgedichten vorkommen. Nun ja. Ein bißchen in Verlegenheit, weil einem solche Ausdrücke nicht sofort auf der Zunge liegen, zumindest nicht auf Latein, erinnerte ich mich dann aber an einen gewissen Graffito aus Pompeji, in welchem davor gewarnt wird, an nämlicher Stelle zu urinieren oder, na ja, zu kacken eben. Nachdenklich macht dabei der in der Warnung zur Sprache kommende Ort des improvisierten Klos. Offenbar war der Hinweis nötig, daß es unfein ist, sich über Gräbern zu entleeren.
Man beachte, daß diese Lateinische Version eines Textes der heutigen Sorte „Hunde an der Leine führen“ oder „Rasen betreten verboten“ in Versen formuliert ist und aus zwei elegischen Distichen besteht. Damit orientiert sich der Text an der Form des Epigramms, das ursprünglich in Weih- und Grabinschriften verwendet, später aber auch mit dichterischer Intention für allerlei kritische, witzige und pointenreiche Gedichte in Gebrauch genommen wurde. Beispielsweise dieses kleine Epigramm vom wohl berühmtesten aller Epigrammatiker, Martial:

Esse nihil dicis quidquid petis, inprobe Cinna:
si nil, Cinna, petis, nil tibi, Cinna, nego.
(III, 61)

„Es sei doch gar nichts, worum du mich bittest, sagst du, unverschämter Cinna: Na, wenn du mich um nichts bittest, dann schlage ich dir ja auch nichts ab.“

Gleichzeitig ist der Graffito eine Parodie auf den Inhalt des typischen Grabepigramms, indem es einen gängigen Topos aufgreift: die Verfluchung des Grabschänders. Nur daß hier die Nemesis darin besteht, daß den vorwitzige Notdurftverrichter Brennesseln an einer empfindlichen Stelle reizen mögen. Zum Vergleich ein Ausschnitt aus einer Art „echten“ Grabepigramms des Horaz (kein eigentliches Grabepigramm, aber der Fluchtopos ist der gleiche):

At tu, nauta, uagae ne parce malignus harenae
ossibus et capiti inhumato
particulam dare: sic, quodcumque minabitur Eurus
fluctibus Hesperiis, Venusinae
plectantur siluae te sospite multaque merces,
unde potest, tibi defluat aequo
ab Ioue Neptunoque sacri custode Tarenti.
Neglegis inmeritis nocituram
postmodo te natis fraudem committere? Fors et
debita iura uicesque superbae
te maneant ipsum: precibus non linquar inultis
teque piacula nulla resoluent.
(carmina I, 28)

„Aber du, Seemann, zögere nicht boshaft, ein Körnchen des wehenden Sandes zu schenken: So sollst du heil bleiben, während, was auch immer der Eurus mit den Fluten Hesperiens vorhat, nur die Wälder Venusinas trifft, und reiche Ware, woher nur möglich, soll dir vom gerechten Jupiter und vom Wächter des heiligen Tarent, Neptun, zufließen. Willst du aber leichtfertig einen Frevel begehen, der deinen Kindern später schaden wird, die nichts dafür können? Vielleicht auch holt die verdiente Gerechtigkeit und die Rache für deinen Hochmut dich selber ein: Meine Bitten um Vergeltung werden nicht unerhört bleiben, dich aber werden keine Gebete erlösen.“

Hier aber nun sind es Brennesseln. Hohe Form für einen banalen Anlaß. Elegisches Distichon, tja. Unterhalb dessen griff der Lateiner erst gar nicht zur Feder. Man stelle sich vor, wie das wäre, wenn statt eines „Ballspiele untersagt“ ein mahnendes

Kinder, der Rasen ist schön, drum trampelt ihn nicht mit den Füßen
Hier zu kicken den Ball, raten möcht ich euch nicht!

auf der grünen Tafel zu lesen wäre. Das elegische Distichon setzt sich im übrigen aus je einem (katalektischen) daktylischen Hexameter und einem daktylischen Pentameter zusammen. Letzteren kann man sich als aus zwei halben Hexametern bestehend denken, die jeweils an der Penthemimeres (nach fünf Halbfüßen) „abgeschnitten“ sind. Ein berühmtes Beispiel ist die Charakterisierung des elegischen Distichons von Schiller – in Form eines nämlichen Distichons, versteht sich:

Ím Hexámeter steígt des Spríngquells flü´ssige Säúle.
Ím Pentámeter draúf fä´llt sie melódisch zurü´ck.

Was Matthias Claudius zu folgender Parodie inspirierte:

Im Hexameter zieht der ästhetische Dudelsack Wind ein;
Im Pentameter drauf läßt er ihn wieder heraus.

Die Forderung, im zweiten Halbvers des Pentameters keine Spondäen (Folgen von zwei langen Silben) zuzulassen, ist in dem Pißverbotsepigramm auch eingehalten.

Hier aber nun der Text:

Hospes adhuc tumuli ni meias ossa precantur.
Nec, si vis huic gratior esse, caca !
Urticae monumenta vides. Discede, cacator !
Non est hic tutum culum aperire tibi.

Fremder, dich bitten die Knochen, doch nicht an die Gräber zu pinkeln.
Noch, willst freundlich du sein, mach hier dein großes Geschäft!
Vor einem Denkmal voll Brennesseln stehst du, verschwinde, du Kacker!
Nicht ist es sicher für dich, hier zu enblößen den Arsch.

Donnerstag, 27. August 2009

Fortsetzung

Schon fiel Asche auf die Schiffe nieder, desto heißer und dichter, je näher sie kamen; dann sogar Lavabrocken und schwarze, verbrannte, im Feuer geborstene Steine; dann eine plötzliche Untiefe, und das Ufer von einem Bergsturz abgeriegelt. Nach kurzem Zögern, ob er umkehren solle, sprach er zum Steuermann, der ihm dazu riet, „Dem Tapferen hilft das Glück: Fahr zu Pomponianus.“ Dieser hielt sich in Stabiae auf, durch die Bucht von uns getrennt – denn die Küste weicht hier allmählich in Windungen und Krümmungen zurück –; dort hatte er, obwohl die Gefahr sich noch nicht näherte, aber doch schon abzusehen war, und, würde sie zunehmen, sehr nahe wäre, sein Gepäck auf Schiffe geladen, zu Flucht entschlossen, wenn nur der ungünstige Wind sich erst gelegt hätte. Unter diesem Wind läuft nun mein Onkel ein, umarmt Pomponianus, tröstet den Zitternden, muntert ihn auf, und läßt sich schließlich ins Bad bringen, um so mit seiner eigenen Seelenruhe die Furcht des anderen zu besänftigen; nach dem Bade legt er sich zu Tisch und speist heiter oder – was genauso großartig ist – sich den Anschein der Heiterkeit gebend. Inzwischen leuchteten vom Vesuv her breite Feuersbrünste und hohe Brände, deren strahlende Helligkeit durch die Schwärze der Nacht noch verstärkt wurde. Als Gegenmittel gegen ihre Furcht sagte mein Onkel immer wieder, daß die Bauern in ihrer Panik die Herdfeuer sich selbst und ihre Häuser verlassen hätten, und das es diese seien, die dort nun allein vor sich hin brennten. Dann begab er sich zur Ruhe und schlief auch wirklich; den sein tiefes Atmen, das bei ihm wegen seiner Leibesfülle ziemlich tief und laut war, wurde von denen gehört, die an der Schwelle lauschten. Aber Gelände, von wo man das Gartenhaus betrat, hatte sich schon mit einem Gemisch aus Asche und Lava gefüllt und war so sehr angestiegen, daß, wenn mein Onkel länger im Schlafgemach geblieben wäre, er nicht mehr ins Freie hätte gelangen können. Man weckt ihn, er kommt heraus und gesellt sich zu Pomponius und den anderen, die die Nacht durchwacht hatten. Gemeinsam beratschlagen sie, ob sie im Haus bleiben oder sich lieber draußen aufhalten sollen. Denn die Wände neigten sich unter zahlreichen, heftigen Erdstößen, und wie aus ihrem Fundament gerissen, schienen sie sich mal hierhin mal dorthin zu verschieben und wieder zu ihrer alten Lage zurückzukehren. Unter freiem Himmel andererseits fürchtete man den Hagel von Lavabrocken, wenn diese auch leicht und schon ausgeglüht waren; dennoch sprach ein Abwägen der Gefahren für diesen Weg; bei meinem Onkel trug freilich die eine Überlegung über die andere, bei den übrigen aber die eine Furcht über die andere den Sieg davon. Sie legen sich Kopfkissen aufs Haupt und befestigen sie mit Leintüchern; das war ein Schutz gegen die fallenden Steine. Andernorts war schon Tag, hier aber herrschte noch Nacht, schwärzer und undurchdringlicher als je eine; aber sie wurde auch von Fackeln und verschiedenartigen Lichtern erhellt. Man beschloß, zum Strand hinunterzugehen und aus der Nähe zu sehen, ob das Meer schon eine Fluchtmöglichkeit böte; aber es blieb aufgewühlt und der Wind ungünstig. Dort legte sich mein Onkel auf ein niedergeworfenes Leintuch, bat immer wieder um kaltes Wasser und trank es. Dann lassen Flammen und der Vorbote von Flammen, ein Geruch nach Schwefel, die anderen das Weite suchen, meinen Onkel aber scheuchen sie auf: Gestützt auf zwei Sklaven steht er auf – und bricht sofort wieder zusammen, weil, wie ich vermute, der ziemlich dichte Rauch ihm das Atmen schwer machte, indem sich seine Luftröhre, von ihrer Anlage her schwach, eng und oft flatterig, verschloß. Als das Tageslicht wiederkehrte – es war der dritte seit dem, an dem er zuletzt gelebt hatte – fand man seinen Leichnam unversehrt, ohne Verletzung, in den Kleidern, die er zuletzt getragen. Sein Körper glich mehr einem Schlafenden denn einem Toten.

Währenddessen waren meine Mutter und ich in Misenum – aber das ist für die Geschichte ohne Belang, und Du hattest ja nur vom Tode meines Onkels erfahren wollen. Also schließe ich hier. Eines nur möchte ich hinzufügen, daß ich nämlich alles, bei dem ich selbst zugegen, und auch, was ich gleich danach, als es noch am genauesten im Gedächtnis war, gehört, getreulich berichtet habe. Du wirst daraus das wichtigste auswählen. Es ist nämlich etwas anderes, ob man einen Brief oder ein Geschichtswerk, ob man einem Freunde oder für alle Menschen schreibt. Lebe wohl.

Montag, 24. August 2009

a.d. IX Kal Sept. anno 832 (24. August 79)

C. Plinius grüßt Tacitus

Du bittest mich, daß ich Dir vom Ende meines Onkels schreibe, damit Du den Nachfahren wahrhaftiger davon berichten kannst. Ich danke Dir; denn ich sehe, daß seinem Tode, wird er von Dir gewürdigt, unsterblicher Ruhm zukommt. Denn obwohl er bei der Vernichtung der herrlichsten Landschaften, ebenso wie Bevölkerung und Städte in einem denkwürdigen Untergange zugrundeging, gleichsam, als ob er für immer leben sollte; und obwohl er mehrere bleibende Werke schuf: So wird dennoch die Unvergänglichkeit Deiner Schriften zu seinem Fortleben viel beitragen. Ich halte wahrlich die für glücklich, denen das Göttergeschenk gegeben ist, beschreibenswertes zu leisten oder lesenswertes zu schreiben; am glücklichsten aber die, denen beides gegeben ist. Zu ihnen wird auch mein Onkel zählen, durch Deine Bücher und seine eigenen. Und darum will ich Dir gerne Deinen Wunsch erfüllen, ja, ich verlange selbst nach dem, was du mir aufträgst.

Mein Onkel war in Misenum und befehligte dort persönlich die Flotte. Am 24. August, ungefähr zur siebten Stunde, machte meine Mutter ihn auf die Erscheinung einer Wolke von ungewöhnlicher Größe und Gestalt aufmerksam. Mein Onkel hatte sich gesonnt, danach kalt gebadet, im Liegen etwas gegessen und arbeitete jetzt. Er verlangt seine Sandalen, steigt auf eine Anhöhe, von wo man das Wunder am besten beobachten kann. Die Wolke – von weitem betrachtet war unklar, von welchem Berg; später wurde bekannt, es sei der Vesuv gewesen – die Wolke also stieg in die Höhe und ließ mit ihrer Form von allen Bäumen am meisten an eine Pinie denken. Denn hochgewachsen wie auf einem sehr langen Stamm teilte sie sich in der Höhe in etliche Äste, ich glaube, weil sie von einem Luftstrom vor kurzem hinaufgetrieben worden war, und dann, als dessen Kraft nachließ, von ihm im Stich gelassen oder von ihrem eigenen Gewicht bezwungen, in die Breite ging, an manchen Stellen weiß, an anderen schmutzig und fleckig, je nachdem, wo sie Asche oder Erde emporgerissen hatte. Es schien etwas Großen zu sein, das ein gelehrter Mann näher erforschen müsse. Mein Onkel befiehlt, ein kleines Schiff bereit zu machen; mir stellt er frei, ob ich mitkommen will; ich antwortete, daß ich lieber arbeiten wolle, und zufällig hatte er selbst mir etwas zu schreiben gegeben. Er war im Begriff, das Haus zu verlassen, da bekommt er ein Briefchen von Rectina, der Frau des Tascus, die außer sich vor Angst ist über die drohenden Gefahr – denn ihr Haus lag am Fuß des Berges, und es gab von dort keinen anderen Fluchtweg als mit Schiffen –: Sie bat darum, daß mein Onkel sie dieser Gefahr entreiße. Dieser ändert seinen Entschluß, und was er aus Forschergeist begonnen, nimmt er jetzt aus Großmut auf sich. Er läßt Vierruderer auslaufen und geht selbst an Bord, um nicht allein Rectina, sondern vielen Menschen – die schöne Küste war ja dicht besiedelt – Hilfe zu bringen. Er eilt dorthin, woher andere fliehen, und hält Kurs und Steueruder geradewegs auf die Gefahr zu, derart frei von Furcht, daß er alle Veränderungen und alle Einzelheiten dieses schlimmen Ereignisses diktierte und festhielt, so wie seine Augen es erfaßten.

Schon fiel Asche auf die Schiffe nieder ...

Donnerstag, 26. Oktober 2006

...

kinder!
was wir hier tun ist luxus. seid froh, daß ihr hier etwas völlig zweckfreies betreiben könnt. zweckfreie dinge tun zu können, ist ein luxus, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann: oder würdet ihr es vorziehen, in den trümmern einer zerbomten stadt nach eßbarem zu suchen? würdet ihr lieber kohlen klauen gehen, damit ihr abends nicht in einer eisigen hausung sitzen müßt? würdet ihr lieber betteln gehen, damit euer schwesterchen etwas zu essen bekommt? würdet ihr lieber zehn stunden im großraumbüro schreibarbeit verrichten, um eure familie zu ernähren? würdet ihr lieber im dschungel sitzen, nackt vor angst ums feuer gekauert, das die wilden tiere abhalten soll, die jenseits, im dunkeln, ihre unheilvollen kreise durch knisternde gehölz ziehen?
seid froh, daß ihr hier satt und warm und in vornehmer kleidung sitzen und euch einer völlig zweckfreien tätigkeit hingeben dürft, die ihr nur um ihrer selbst willen betreibt.
und jetzt: wie geht nochmal der ablativ der u-stämme?

Freitag, 10. Juni 2005

Grammatische Kleinteile

Hallo Herr S.!

Gerade habe ich die Statiuspassage[1] angeschaut: sehr witzige Beschreibung, wenn ich das richtig verstehe. Die Auffassung indes, es handele sich um einen D. incommodi scheint mir, wie überhaupt die ganze Unart, Verwendungsweisen der Kasus nicht aus der Kasussemantik zu erklären zu versuchen, sondern die Einzelfälle zu Gruppen ähnlicher Verwendungen zusammenzufassen und diese dann mit eigentümlichen Termini zu benamsen, etwas fragwürdig – im Extremfall endet man bei dieser Praxis nämlich tatsächlich bei Einzelfällen. Und eine Grammatik, die nur listet, jedoch keine allgemiene Regel liefert, erscheint mir verbesserungswürdig.

(Aber wer wollte dies leisten?)

Die drei Stellen als D. incommodi zu sehen, hat natürlich den Vorteil, daß diese Auffassung unwiderlegbar ist. M. E. kann jedes Fehlen oder Verlassen immer auch als Incommoditäth abgehandelt werden. Dann ist es aber nachgerade verwunderlich, daß es nicht noch mehr Stellen gibt! Da es sich um eine Ratio von 3 (oder 4, wenn Caesar „gilt“, und warum sollte gerade die Caesarstelle nicht –?) mit Dativ gegen vermutlich tausende mit Akkusativ handelt, würde ich sagen, Prop[2], Sil[3], und Stat sind zu vernachlässigen, und haben in der Schule nicht aufgepaßt oder so. Ich meine, wenn Schulkinder in 2000 Jahren einmal das Deutsch des beginnenden 21sten Jahrhunderts büffeln müssen, dann werden sie auch lernen, daß wegen den Genitiv regierte – und damit 99 % der gesprochenen Sprachwirklichkeit verfehlen.

Auch scheint mir in Sil. und Stat. eine jeweils sehr ähnliche, aber mit der strittigen Caesarstelle und der Stelle bei Properz nicht zusammengehende Verwendungsweise vorzuliegen. Bei den beiden ersteren liegt doch, wenn ich das richtig lese, der Gedanke einer Fläche, die unter etwas verschwindet, zugrunde. Daher „fehlt“ dann das Feld, die Wasserfläche „vor Schiffen“ bzw. „vor Leichenbergen“ (igitt) – drängt sich da nicht der Gedanke auf, es könne sich um eine absolute Verwendung („fehlt“, „verschwindet“, „macht sich dünne“) plus instrumentalem (oder, ach diese Benamsungen!, kausalem) Ablativ (morphologisch in beiden Fällen möglich) handeln?

Bleibt natürlich Properz und Caesar. Bei Properz kommt erschwerend hinzu, daß es nicht einmal metrische Gründe gibt: mihi wird im strittigen Vers als zwei Kürzen gelesen, also hätte er auch me schreiben können, ohne die Regeln der Metrik mit Füßen zu treten. Das mihi scheint mir daher mit Bedacht gewählt worden zu sein. Hier ist wohl, wenn man der traditionellen Kasussystematik folgen will, ein incommoder Dativ der Weisheit letzter Seufzer: „verschwindet nicht, mir zum Schaden“. Oder so.

In einem Schultext hat so etwas natürlich nichts verloren, schon angesichts der statistisch doch recht eindeutigen Beleglage. Und ob das aus den lieben Kleinen Poeten macht, na ....

So, genug getextet, danke, daß Sie bis hierher die Geduld hatten, mir zu folgen. Ein frohes Wochenende wünschend,

MB

[1] Iam Pelopis terras Graiumque exhauserat orbem
praecipitans in transtra viros insanus equosque
Bellipotens. fervent portus et operta carinis
stagna suasque hiemes classis promota suosque
attollit fluctus; ipsum iam puppibus aequor
deficit et totos consumunt carbasa ventos. (Ach. 1, 445)
[2] et mihi iam toto furor hic non deficit anno (1, 1, 7)
[3] stragis acervis deficiunt campi (8, 660)

VOCES INTIMAE

... for we have some flax-golden tales to spin. come in! come in!

Kommt herein, hier sind auch Götter ...

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