Sonntag, 19. Dezember 2004

Vom Küssen

Immer war es so: wenn ich endlich die Frau küßte, nach deren Kuß ich mich gesehnt hatte, dann war es immer wundervoll, ganz unabhängig von der Art, wie sie küßte; es war wundervoll, weil es ein Kuß war, und: weil es ein Kuß mit der Frau-die-ich-küssen-wollte war. Es spielte dabei keine Rolle, wie sie küßte, ob wild oder zart, nachgebend oder straff; ob sie schmale oder volle Lippen, einen kleinen oder breiten Mund hatte; es war gleich, ob ihr Mund größer oder kleiner als meiner, ob ihre Zunge lang oder kurz, quirlig oder lasziv-langsam war. Für mich war es immer recht, hat sich ein Kuß mit meinem Wunschkußmenschen immer richtig und gut und zum Jubeln angefühlt, wenn es endlich so weit war. Weil es eben ein Kuß, weil es eben der ersehnte Kuß mit dem Wunschkußmenschen war. Und es ist schwer für mich, mir vorzustellen, daß und wie es anders sein könnte.

Die Frage ist natürlich immer, wer denn der Wunschkußmensch ist. Und warum. Aber findet man das erst beim Küssen heraus? Oder ist es nicht umgekehrt so, daß man überhaupt erst küßt, weil dieser Mensch der Wunschkußmensch ist?

VOCES INTIMAE

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