Freitag, 25. Februar 2005

L'Inverno

Auf dem Münsterplatz läßt mich der plötzlich auffedernde Ton einer Klarinette innehalten. Es sind drei Musikanten, Typ „Russische Musikstudenten aus St. Petersburg“, und wie alle dieses Schlages sind es Profis, die wissen, was sie tun. Ich suche mir ein Plätzchen abseits und höre zu. Eine Tuba, ein Akkordeon, eine Klarinette. Der Platz bleibt, bis auf ein zwei verstreute Enthusiasten, menschenleer.

Sie spielen Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, den Winter, in einem merkwürdigen, aber nach anfänglicher Verwirrung vergnüglichen Arrangement, in dem sich Akkordeon und Klarinette die Tutti- und die Solopassagen der Violine voneinander übernehmend einander überkreuzend teilen. Das verfremdet und verzaubert, und taucht die barocke Sprache in ein ganz seltsames Licht.

Lässig spielen sie, trotz der Kälte fliegen die Finger über Klappen und Tasten. Der Klarinettist hebt, unter seiner strengen Mütze kaum zu sehen, ab und an vergnügt die Brauen, während der Akkordeonspieler recht finster und in sich hinein gewandt aussieht, als spiele er ganz allein; der Tubist lehnt sich gar, ein Bein bequem um das andere gewickelt, an einen Laternenpfahl. Schön hingetupft breiten sich die wuchtigen und doch leicht gewippten, schwingenden Klangfundamente der Tuba aus, das Akkordeon vermittelt, während die Klarinette glasklar die winterkalte Luft durchklirrt. So muß Vivaldi gespielt werden, denke ich, und diese denkwürdige, jede historische Aufführungspraxisideologie frech verlachende Darbietung macht mir plötzlich mehr Freude, als so manche vibratolose, darmsaitenverkratzte Akademikereinspielung. Da läßt man aufwallen, und versiegen, bricht aus, nimmt zurück, trampelt stolz herum, um schon im nächsten Augenblick wieder auf Zehenspitzen einher zu trippeln. Die Läufe prasseln und rauschen. Die Dissonanzen klirren frostig. Die Tuttipassagen knarren und rumpeln. Die da spielen nicht einfach Vivaldi – sie führen ihn auf.

VOCES INTIMAE

... for we have some flax-golden tales to spin. come in! come in!

Kommt herein, hier sind auch Götter ...

Epistolae electronicae:

talapenthea_thymon ad hotmail punctum com

Spurensucher

 

Web Counter-Modul


Marbach

Dieses Weblog wird durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach archiviert.

Metron ariston

Pflichtnennung


Als wären nicht zweimal die Kräfte
An habent et somnia pondus
Astartes Lächeln
Colourless green ideas
Daß alles für Freuden erwacht
Dem geschah auch Lieb durch Liebe nie
Die Stadt am Ende des Jahrtausends
egregie dicta
Fasti
Flaschenpost
hemerolog
In Nemore
Logolog
Ludus Latinus
Mores Ferarum
Nicht mit gar zu fauler Zungen
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren