Keine Stille, nirgends
Selbst wenn man sie einmal gefunden hätte, die Oase der Stille: Es wäre nichts gewonnen außer einer tagfürtäglichen Ruhe, einer Ruhe, die nur vorläufig ist, nicht einmal von Tag zu Tag, sondern sogar von Stunde zu Stunde, ja von Augenblick zu Augenblick, eine Ruhe ohne Be-ruhig-ung, denn Sicherheit gibt’s keine. Selbst nach Jahren kann das Geräuschgrauen wieder zuschlagen, nichts bleibt ja in dieser Welt, die sich blindlings allem neuen, und sei es noch so bescheuert, in die Arme wirft, nichts bleibt ja, wie’s einmal gewesen ist, nicht einmal das Treffliche, nicht einmal das, womit man hatte leidlich leben können.
Abgelegene Orte geraten in den Sog der sogenannten Zivilisation, strukturschwache Gegenden wollen leider nichts lieber als strukturstark werden, was im allgemeinen nicht ohne Geräusche abgeht; öde Landstriche werden plötzlich von Ökotouristen entdeckt und von Outdoorsportlern heimgesucht, die meinen, draußen zu Hause zu sein. Findige Billigfluganbieter greifen auf Flughäfen auf der grünen Wiese zurück, weil billiger, was den Fluglärm auf der grünen Wiese nicht unbedingt mindert. Umgehungsstraßen machen ihrem Namen Ehr’ und umgehen, leider nicht die Wildnis, sondern die Ballungsgebiete, die man hinsichtlich von Lärm und Krach sowieso nicht retten kann: Warum also, bitteschön, auch noch die Wildnis beschallen? Da baust du dir dein Haus weitab jeder motorisierter Zumutung, nur um nach zwei paradiesischen Jahren herauszufinden, daß eine neue Autobahn geplant ist, deren Trasse zweihundert Meter hinter deinen Apfelbäumchen verlaufen wird. Stille hört sich anders an.
Oder auch: Ruhige Mieter ziehen aus, weniger ruhige Mieter ziehen nach; nebenan wohnt plötzlich jemand, der Schlagzeug übt, während unter dir die stille Handarbeitslehrerin eines Tages beschließt, sich das Violoncellospiel anzueignen. Selbst für einen Liebhaber des Cellospiels sind die ersten Gehversuche eines Anfängers auf einem Streichinstrument meist kein reiner Hörgenuß.
Und noch weniger zu vermeiden: Die Natur des Lebens selbst. Irgendwann sind aus den liebreizenden Nachbarskindern nicht mehr ganz so liebreizende Teenagergören geworden, die ihrerseits den Liebreiz von Geräuschen entdecken, die du nie im Leben als Musik bezeichnet hättest. „Zimmerlautstärke ist, wenn ich drüben nichts mehr höre“, denkst du dir, fassungslos, daß das andere anders sehen.
Von Wohnung zu Wohnung, von Haus zu Haus: Schlagzeuger gegen Heavy-Metal-Fan eingetauscht. Von der Stadt aufs Dorf, Autoverkehr gegen Schützenvereinrumtata gehandelt. Vom Dorf aufs Land, Traktoren und Kreissägen statt Schützenvereinrumtata. Wohnwagen im Wald: Sonntags die Ausflügler. Nein, es gibt kein Entkommen. Und jeder Raum der Stille ist nur von Augenblick zu Augenblick still. Jederzeit kann der Krach losschlagen, überall. Es gibt keine Anti-Lärm-Lobby. Es gibt Nichtrauchergesetze, aber keine Anti-Lärm-Gesetze. Würde man über die schalldichte Isolierung von Wohnraum genauso intensiv nachdenken wie über Wärmedämmung oder neue Straßen für noch mehr Autos, könnten wir wenigstens auf eine bessere Zukunft hoffen. Aber wo kein Problem ist, da wird auch nicht über Lösungen diskutiert. „Sie stören mich mit Ihrem Schweigen ja auch nicht.“ Und so sind wir, die Lärmkranken, die Geräusch-kann-tödlich-sein-Fraktion, überall heimatlos, Vertriebene, Nomaden auf der Flucht vor dem Lärm der Zeitgenossen wie vor unserem eigenen Gehör.
Abgelegene Orte geraten in den Sog der sogenannten Zivilisation, strukturschwache Gegenden wollen leider nichts lieber als strukturstark werden, was im allgemeinen nicht ohne Geräusche abgeht; öde Landstriche werden plötzlich von Ökotouristen entdeckt und von Outdoorsportlern heimgesucht, die meinen, draußen zu Hause zu sein. Findige Billigfluganbieter greifen auf Flughäfen auf der grünen Wiese zurück, weil billiger, was den Fluglärm auf der grünen Wiese nicht unbedingt mindert. Umgehungsstraßen machen ihrem Namen Ehr’ und umgehen, leider nicht die Wildnis, sondern die Ballungsgebiete, die man hinsichtlich von Lärm und Krach sowieso nicht retten kann: Warum also, bitteschön, auch noch die Wildnis beschallen? Da baust du dir dein Haus weitab jeder motorisierter Zumutung, nur um nach zwei paradiesischen Jahren herauszufinden, daß eine neue Autobahn geplant ist, deren Trasse zweihundert Meter hinter deinen Apfelbäumchen verlaufen wird. Stille hört sich anders an.
Oder auch: Ruhige Mieter ziehen aus, weniger ruhige Mieter ziehen nach; nebenan wohnt plötzlich jemand, der Schlagzeug übt, während unter dir die stille Handarbeitslehrerin eines Tages beschließt, sich das Violoncellospiel anzueignen. Selbst für einen Liebhaber des Cellospiels sind die ersten Gehversuche eines Anfängers auf einem Streichinstrument meist kein reiner Hörgenuß.
Und noch weniger zu vermeiden: Die Natur des Lebens selbst. Irgendwann sind aus den liebreizenden Nachbarskindern nicht mehr ganz so liebreizende Teenagergören geworden, die ihrerseits den Liebreiz von Geräuschen entdecken, die du nie im Leben als Musik bezeichnet hättest. „Zimmerlautstärke ist, wenn ich drüben nichts mehr höre“, denkst du dir, fassungslos, daß das andere anders sehen.
Von Wohnung zu Wohnung, von Haus zu Haus: Schlagzeuger gegen Heavy-Metal-Fan eingetauscht. Von der Stadt aufs Dorf, Autoverkehr gegen Schützenvereinrumtata gehandelt. Vom Dorf aufs Land, Traktoren und Kreissägen statt Schützenvereinrumtata. Wohnwagen im Wald: Sonntags die Ausflügler. Nein, es gibt kein Entkommen. Und jeder Raum der Stille ist nur von Augenblick zu Augenblick still. Jederzeit kann der Krach losschlagen, überall. Es gibt keine Anti-Lärm-Lobby. Es gibt Nichtrauchergesetze, aber keine Anti-Lärm-Gesetze. Würde man über die schalldichte Isolierung von Wohnraum genauso intensiv nachdenken wie über Wärmedämmung oder neue Straßen für noch mehr Autos, könnten wir wenigstens auf eine bessere Zukunft hoffen. Aber wo kein Problem ist, da wird auch nicht über Lösungen diskutiert. „Sie stören mich mit Ihrem Schweigen ja auch nicht.“ Und so sind wir, die Lärmkranken, die Geräusch-kann-tödlich-sein-Fraktion, überall heimatlos, Vertriebene, Nomaden auf der Flucht vor dem Lärm der Zeitgenossen wie vor unserem eigenen Gehör.
von: Talakallea Thymon - am: 13. Okt, 11:52 - in: O tempora, o mores!
Obwohl überzeichnet