An habent et somnia pondus

Samstag, 21. Juli 2007

Sommerepigramme (2)


Über den Birken zu zweit, unterm wendigen Fenster der Lüfte:

Jahresringe im Strom reichern sich mehrhäusig an.





Freitag, 27. April 2007

Am Fluß

über den spiegel des flusses
glitt der trunkene reiher

die schwingen gefältelt
ließ er sich nieder am schilf

reckte den schlanken
hals, zu schöpfen
einen schnabelvoll mond

da zerbrach ihm
das licht unterm gierigen schnabel

geborsten im kreis
ließ es ihn durstig zurück







Freitag, 17. November 2006

innen

innen gäbs auch steine.

und götter


.

Donnerstag, 10. August 2006

Am Fluß

Als ich mich noch einmal umwandte, saß er unverändert, das Kinn in der Hand, die grauen Augen zur Erde gerichtet. Das letzte, was ich sah, war, wie er einen Stein aufhob, ihn nachdenklich in der Hand drehte, dagegenblies und ihn dann dem Steinmännchen zufügte. Neben ihm stampfte der Fluß über die Steine. Gedankenverloren wischte er sich einen Spritzer von der Wange. Die Föhren woben ihm wippende Schatten ins Haar.
Kurze Zeit später hörte ich wieder meine Schritte.
Ich verstand nicht, was er mir mit seinem letzten Wort hatte sagen wollen. Vor einem Streif Sonne im Gras blieb ich stehen. Hinter mir lärmte, gedämpft durch den Moränenkamm, der Fluß. Die Föhren rauschten leise. Ich fragte mich, ob ich noch einmal zurückgehen sollte und verwarf es. Er hatte gesagt, was er sagen wollte oder konnte. Käme ich nun zu ihm zurück, er wäre vielleicht gar nicht mehr da, wie er es selbst gerade gesagt hatte von ihr. Er hatte mich nicht angesehen, als er es sagte, er hatte in den Fluß geblickt, wo sein Spiegelbild geduldig in einer Woge hängend stieg und fiel. Doch auch sein Spiegelbild hatte er nicht angesehen. Vielleicht hatte er auch gar nichts gesagt, ich war mir nicht sicher, ob er überhaupt gesprochen, oder ob nicht seine Lippen nur geformt hatten, was ich zu hören glaubte.
„Sie ist fortgegangen.“
Und so suchte ich wieder die Orte auf, die den Fall ihrer Füße auch gekannt hatten, das Ufer, den Wall, den Hohlweg, die Bank und die Hütte im Wald, jene Orte, die von ihr wußten, und wo ich nun mit meiner Frage alleine blieb. Wohin?
Er hätte mir keine Antwort gegeben.
Am Abend aber …

Freitag, 28. Juli 2006

Seemann

Ob dieser oder ein anderer – was macht das? Er war wie alle anderen. Wie die anderen Seeleute hatte er helle Augen, salzgebleichtes Haar, sonngebräunte Haut. Wie der anderen waren auch seine Hände verhornt vom Reißen an Hanf und Tuch, und seine Schultern und Arme hart von Kraft. „Wen meinst du“ fragte daher Ada, und Solveigh verstand nicht. Wie konnte sie ihn nicht sehen, ihn, den größten von allen, ihn, den ein Licht überschwebte, ihn, dessen Augen so hell blickten, daß sie noch von hier wie Sonnen strahlten in seinem Antlitz. Keiner warf doch einen gewaltigeren Schatten aufs Deck als dieser. Wie konnte Ada nicht sofort sehen, was sie, Solveigh sah, und woran sie jetzt, in diesem Augenblick, zu leiden begonnen?


-

Dienstag, 7. März 2006

Geh!

Da sprang sie hinaus in den Garten in wildem Zorn, und Feuerströme von Tränen brannten auf ihren Wangen. Im Frost dampfte ihr warmes Haar. Der Rauhreif eiste ihre Füße. Da riß sie sich sämtliche Kleider vom Leib und sprach: „Geh fort. Nimm dein Schiff, fahr hinaus ans Ende der Welt, strande an verlassenem Gestade, zerschelle auf grausamer Klippe, versinke im tiefen Blau, und das Wasser möge den Glanz deiner Lichter löschen. Geh. Denn fort schicke ich ich dich, daß nie mehr ich dich sehe und leide am Blick deiner Augen.“
So sprach sie. Dann entzündete sie ein Feuer und warf ihre Kleider hinein und sah zu, bis sie vollständig verbrannt waren. Ihre Füße schmolzen das Eis im Grase zu ihren Füßen, der Flammenschein zuckte auf ihren Brüsten und schimmerte in den tiefen Brunnen ihrer Augen, und sie fror nicht.

Dienstag, 8. März 2005

...

Es wird immer dunkler
und die Dunkelheiten schütteln gierig
Dämmerobst
von den Bäumen
geht ein
Ruckzittern aus
den Kieseln springen
gegerbte Lexika
Flure voll, Flure leer von
Gischt. Gezeiten: Drahthaftes Hängen
strömig. Schwungtropfen über Hängescheiben. Gesichter
Asphaltnasen. Springbrunnen
verkirchen sich platzhaft. Schnuller
entragen Kinderkutschen, müd wie
Ballone, die eine Wolke
entsog.
Lenz um Lenz verbrauchten sich.
Jahranfänge fingen Halt.

Freitag, 23. Juli 2004

Mondträume

Etwas fehlte in ihr, ein Mangel bewegte sie, ein Nichts. Sie irrte durchs Zimmer, vom Fenster zur Tür – sollte sie noch einmal hinaus? – von dort zum Krug mit Wasser, das keine Linderung, wieder zum Fenster, das keine Kühlung brachte. Sie hob das Gefäß an den Mund, ließ das Wasser auf die Lippen treten, Überdruß überkam sie, sie stellte den Krug wieder hin. Blieb einen Augenblick reglos, warf sich endlich aufs Bett, von Zerren und Reißen erfüllt.
Da aber wuchsen ihre Füße und wurden riesengroß, und Wurzeln sprangen aus ihnen hervor und gruben sich in Erde und Stein der Welt. Zu einer großen Schale weitete sich ihre Mitte, wurde ein See, ein Becken, ein Teich, den Erlen beschatteten. Mondlicht lag still auf ihrer Brust, ihr Atem wurde eins mit dem Heben und Senken des Baches, dem Schwellen und Niedersinken des Blättergewirbels; und da waren ihre Hände plötzlich schwer und reich und voller Früchte, und ein tauchte sie in eine Zwie-Welt, darin Stimmen flüsterten unter schwankendem Mond, und ein Wind sich erhob wie aus Pfotentritten, und ein Sturm warmer, schnaufender Leiber nahte, die dichtgedrängt sich aneinander rieben, daß Funken knisternd zwischen ihnen hervorsprangen und ins Dunkel, ins dichte, umher drückende Dunkel zerstoben. Seltsame Bilder brachten sie hervor, Bilder die Solveigh unheimlich und süß zugleich waren, Münder und Augen, die aus Handflächen und Fußsohlen hervorsahen, Köpfe, die lichtübergossen in die Ferne schauten, Schultern, die schweißglänzend verwirrende Arbeit verrichteten, oder sie sah einen See, der im Mondlicht glänzte wie ein Mund, ein Strom von Wasser, das aus einem felsigen Grund hervorbrach, das Glitzern auf dem Fell eines Luchses. Sein Auge, dessen Blick in sie drang wie Feuer. Und ein Regen und Sehnen kam in ihre Brust, wie sies noch nie gefühlt hatte. Duft trat in ihre Nase, ein scharfer Odem, der von dem Leibersturm ausging, sie aber bald erfaßt hatte, ihr unter die Haut gedrungen war, in ihrem Blut pochte, bis sie ihn selbst ausdünstete, und die Räume hinter dem Dunkel anfüllte. Und jenes Dunkel, aus dem der Leibersturm herangeeilt und wohinein die Flut, begleitet von wildem, dunklem Schnaufen wieder davoneilte, jenes Dunkel barg Höhlen und mächtige Räume, weite Hallen und unsichbare Gänge, in denen sich Solveighs Wachsein verlor und mannigfach teilte. Vielleicht war es der Grund eines Sees, vielleicht eine Höhle unterm Gebirg, vielleicht ein Wald uralter Bäume, so dicht, daß die Sonne niemals den Grund berührte und die Stämme wie Säulen das Blätterdach trugen, weit, weit oben, wo das Licht manchmal dämmrig zu erahnen war, wenn ein Wind das Laub wie eine Meeresfläche wogen ließ. Neue Bilder kamen, und sie sah einen glänzend schwarzen Raben von einem Baume auffliegen, sah Flammen in einer Feuerstelle steigen und wieder zusammensinken, sah dann voller Schrecken Temes’ Fohlen in einer Blutgischt aus dem Schoß der Stute herausstürzen, und plötzlich war es ihr eigener blutiger Schoß, der das Fohlen von sich gab. Voller Entsetzen wollte sie an sich herabsehen, doch da waren die Bilder fort, und es wurde dunkel.
Endlich verlor sich auch das Getrappel und Geschnauf in den Fernen, und ihr Wachsein kehrte zurück aus dem Irrgarten, und der Mond schien nicht mehr ins Fenster. Das Bett lag im Dunkel des Zimmers. Zum Fenster wallte Kühle herein. Matt schwebte noch der Tiergeruch über den Laken. Alles war still, nur ein langsames, tiefes Atmen blieb und füllte den Raum.

Freitag, 16. Juli 2004

Blick

Wenn er sie streichelte, nahm er manchmal ihr Gesicht zwischen seine Hände, daß sie ihre Wangen ganz umschlossen, näherte sein Antlitz dem ihren, bis sich ihre Nasen fast berührten, und sah sie an. Sein Blick schien dann etwas zu suchen. Sie sah seine Augen in winzigen Sprüngen hin und her gehen, sah seine Stirn sich in Furchen legen, als strenge ihn etwas an, und er hielt den Kopf schief, wie um einen verlorenen Gedanken wiederzufinden. Sie liebte es, wenn er sie so ansah. Manchmal erschien ein Lächeln in seinem Mundwinkel. Manchmal bewegten sich seine Lippen, als wolle er ein Liebeswort sprechen und suche nach dem einzig richtigen, dem wahren Wort für sie. Aber er sprach nichts, sah sie nur mit diesem suchenden Blick an, hielt ihr Gesicht umschlossen und schwieg. Lange verhielt er so. Dann strich er ihr mit dem Finger über die Wange. Sein Blick verzitterte, seine Lider schlossen sich. Und er küßte sie.

Später verstand sie diesen Blick. Es war ein Blick, der etwas brauchte, weil er leer war. Sein Blick suchte sich selbst.

Mittwoch, 30. Juni 2004

...

Über ihnen stand das Dach der Schwingen offen, griffen die Wipfel voll nadeliger Schwärze in den erleuchteten Himmel, und der Mond stieg eben in den Kreis der Lichtung; und das Licht schwebte nieder und weitete einen Raum aus, darin die Tannen wie silberne Säulen standen, und die Leere zwischen ihnen nicht dunkel, sondern angefüllt war mit leuchtendem Staub, der sich über dem Stromesrauschen sammelte und in die Hallen davonstrebte, wo er dünner wurde und sich endlich ins Dunkel des Waldes verlor.

So warm war es an jenem Teich, im Moos, unter dem Schutz der Büsche, in der Umhüllung der Mondschleier, daß sie der Kleidung entbehren konnten; weiß wie Kiesel, die das Eis rundete, schimmerte die Haut ihrer Leiber, dunkel wölbten sich Schatten in den Höhlungen, wie Edelstein schimmerten ihre Stirnen; und jenes herabfallende Licht, das sich noch aus dem Wasser ihnen wieder entgegenhob, jenes Leuchten, das die Tannenhalle füllte, es legte sich um sie, schmeichelte ihrer Haut und kleidete sie so gut und warm wie Wolle oder Leinen; würzig auch duftete es, tiefte ihren Atem, drang in ihre Poren ein, schlug in ihrem Blut und ließ ihre Schläfen sich weiten. Da schmeckte es bitter und süß zugleich unter der Zunge, so daß sie davon trunken wurden und ihre Augen sich mit fließendem Leuchten füllten. Der Strom indes rauschte und in ihren eigenen Adern widerhallten die Wasser. Moos und Lärchennadeln waren ihnen weiches Lager, und ihre schneeweißen Füße spielten im Becken.

VOCES INTIMAE

... for we have some flax-golden tales to spin. come in! come in!

Kommt herein, hier sind auch Götter ...

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