Freitag, 26. November 2004

Bratwurstparadoxie

Nichts ist besser als Bratwurst.
Ein Brötchen ist besser als nichts.

Also ist ein Brötchen besser als Bratwurst.



Der Schluß scheint formal gültig zu sein. Er folgt dem Schema: Wenn A besser ist als B, und B besser ist als C, dann ist A besser als C. A ist besser als B. Also ist A besser als C. Man nennt eine solche Beziehung wie die Besser-als-Beziehung eine transitive Relation. Andere transitive Relationen sind etwa die „unter“-Relation (wenn A unter B ist und B unter C, dann ist A auch unter C), oder die „größer“-Relation in der Mathematik.

Daß hier logisch nicht alles mit rechten Dingen zugeht, liegt auf der Hand. Warum aber? Des Rätsels Lösung liegt in der Verwendung des Ausdrucks „nichts“.

Nichts verhält sich nämlich ganz anders als eine Konstante wie A oder B, und die Verwendung von Ausdrücken wie nichts, niemand, nirgends als Konstanten ist logisch unzulässig. Genau das aber wird im Bratwurstschluß getan und funktioniert folgendermaßen: Der Satz Nichts ist besser als Bratwurst ist syntaktisch dem Satz A ist besser als Bratwurst gleich. Aus A ist besser als Bratwurst und Ein Brötchen ist besser als A kann problemlos Ein Brötchen ist besser als Bratwurst geschlossen werden. Setze ich nun nichts an die Stelle von A, so passiert etwas Merkwürdiges. Zwar bleibt die äußere Struktur, also die Syntax, des Ausdrucks erhalten. Seine Bedeutung ist aber nicht parallel zu dieser identischen Struktur. Warum nicht? Weil nichts eine Negation enthält, die aber syntaktisch sozusagen „versteckt“ ist. Man kann den Satz Nichts ist besser als Bratwurst paraphrasieren als: „Es gibt nichts, das besser als Bratwurst ist“. Setzt man diese Paraphrase in das ursprüngliche Schema ein, so sieht man, daß auch die syntaktische Gültigkeit verschwindet: Also hängt diese einzig und allein von der äußeren Struktur der Sätze ab, nicht von ihrer Bedeutung. Gehen aber Bedeutung und Syntax nicht parallel, weil die natürlich-sprachliche Syntax Dinge gleich erscheinen läßt, die semantisch höchst unterschiedlich sind, so lassen sich sehr merkwürdige Schlüsse konstruieren, die formal gültig zu sein scheinen, es aber semantisch nicht sind. Das wohl berühmteste Beispiel findet sich in Alice in Wonderland und sei hier zitiert. Die unerlaubte Verwendung von nobody als Konstante wird durch Großschreibung angedeutet:

“Who did you pass on the road?” the King went on […].
“Nobody,” said the Messenger.
“Quite right,” said the King: “this young lady saw him too. So of course Nobody walks slower than you.”
“I do my best,” the Messenger said in a sulky tone. “I’m sure nobody walks much faster than I do!”
“He can’t do that,” said the King, “or else he’d have been here first. […]”

Nebenbei bemerkt läßt sich der Schluß doch noch so auffassen, daß er gültig ist. Dazu müssen wir aber den Satz Nichts ist besser als Bratwurst in einer kaum natürlichen Interpretation verstehen, derjenigen nämlich, die paraphrasiert ungefähr lautet: „Nichts zu haben ist besser als eine Bratwurst zu haben“. Wenn wir dann hinzunehmen „ein Brötchen zu haben ist (noch) besser als nichts zu haben“, können wir scharfsinnig folgern, daß ein Brötchen besser ist als eine Bratwurst.

qed
Talakallea Thymon - 13. Jan, 11:01

(28.11.04 13:39)
Also ich finde, die Bratwurst gehört ins Brötchen, denn nur so schmeckts dann auch richtig lecker!
Dir noch einen wunderschönen Sonntag :-)
liebe Grüße
Alexandra
(P.S. Du hast übrigens Recht, das Brötchen kommt noch vor der Bratwurst, die ja eigentlich gar nicht vorhanden wäre wegen dem Nichts, denn wo nichts ist, kann ja nichts sein, auch keine Bratwurst)

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