Dienstag, 27. Juli 2004

An Claudia

Heute Morgen Nebel und dieser feine, würzige, manchmal ins Modrige umschlagende Geruch in der Luft – Brand, Feuchtigkeit, Laub, Straßennässe, Erde –, der schon den Herbst ankündigen will. Es riecht nach Fülle und Frucht und nach Verschwendung. Doch in der Fülle liegt schon der Verfall eingekapselt, und das feingestreute, weiche Licht, keine Sonne, klingt schon nach Abschiednehmen, nach Erinnern, nach Schweigen, das noch zittert von eben verklungenem Lärm. Rabenschreie von unsichtbaren Körpern in den Bäumen erzählen von Dingen, die unwiederbringlich vorbei sind. Es sind keine Geschichten; es sind viel mehr reine Augenblicke des unbewußten Glücks, und daß sie eben vorbei sind, so oder so, das ist das traurige. Was immer auch folgen wird, Jubel oder Schmerz: das, was einen Sommer lang leben hieß, das ist schon nurmehr Erinnerung und Gewesenes. Einen Augenblick tue ich noch so, als sei ich noch mittendrin. Aber ich weiß doch schon, daß ichs nicht mehr einholen kann, und auch nicht verhalten, verzögern, verlängern. Wie auch immer diese Geschichte weitergehen wird, und welche Rolle du, Claudia, darin spielen wirst: unsere Sommergeschichte, wenn man es so nennen kann, ist zu Ende. Ehe du noch weißt, daß es für mich eine Geschichte war.

An Claudia

Und noch ein Tag Sommer: Riesige Menschenschatten wandeln über die Plätze, das Laub der Bäume ist still, die Flächen des Betons strecken sich. Die Scheiben des Uni-Centers blinzeln in die Sonne. Irgendwo ist noch eine Pfütze vom letzten, schon vergessenen Regenguß liegengeblieben und spiegelt einen Himmel voll Laub wider. Der eigene Schatten fällt überlang aus dem Schatten des Ahorns. Die Insekten sind träge von der Nachtkühle. Mit ihren krummen Bahnen spannen sie Räume unters Gezweig. Es ist überall Licht, teils versteckt, teils offen leuchtend, teils gerade, teils verwinkelt, hier in Stücken und Flecken, dort herrlich über eine Straße hingegossen, Licht, das sich die Schatten zurückerobert, und so eines, das wir gestern abend noch für unmöglich erklärt hätten.

Gestern sind wir hier noch gegangen, Liebe, ja, gestern wars. Wir sprachen. Wir lachten. Du berührtest mich am Arm. Wir gingen. Wir blieben stehen. Du so entspannt und ganz du und voller ausgelassener Gelassenheit und Freude an allem. Ich ganz Aufschub, Hinhalt, Verzögern. Dich noch länger, noch eine weitere Minute, sehen und beimirhaben. Nur noch eine Minute, ehe du dich, schon weiter, schon abgewendet, verabschiedest, schon verabschiedet hast von mir und dich aus mir löst und fort bist für ichweißnichtwielang. Nur noch diesen Augenblick. Und dann noch einen und noch einen.

VOCES INTIMAE

... for we have some flax-golden tales to spin. come in! come in!

Kommt herein, hier sind auch Götter ...

Epistolae electronicae:

talapenthea_thymon ad hotmail punctum com

Spurensucher

 

Web Counter-Modul


Marbach

Dieses Weblog wird durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach archiviert.

Metron ariston

Pflichtnennung


Als wären nicht zweimal die Kräfte
An habent et somnia pondus
Astartes Lächeln
Colourless green ideas
Daß alles für Freuden erwacht
Dem geschah auch Lieb durch Liebe nie
Die Stadt am Ende des Jahrtausends
egregie dicta
Fasti
Flaschenpost
hemerolog
In Nemore
Logolog
Ludus Latinus
Mores Ferarum
Nicht mit gar zu fauler Zungen
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren