Montag, 17. Oktober 2005

wenn ich mal groß bin (4. Juli 2005)

Heute morgen, nicht unbedingt im Halbschlaf, aber mit den Gedanken noch im Dunkeln wurzelnd, schoß mir ein beängstigender Gedanke durch den Kopf. Plötzlich war es greifbar und in die nächste Zukunftsnähe gerückt. War nicht mehr weit fort und wie dem Leben einer andern Person angehörig, in die ich erst langsam würde hereinwachsen müssen; war nicht mehr, was ich noch würde werden müssen, erträumt beim Blick auf den Kalender, oder auch gefürchtet; war nicht mehr ein ferngespiegeltes Nochncihtich: nein, das war bereits ich – und es war der, der ich jetzt bin, völlig banal ich, weder gewachsen noch gereift noch klüger noch weiser noch erwachsener, vernünftiger, besser. Keine subtile Metamorphose käme mir zu Hilfe und machte die Tatsache dieser Zahl erträglicher. Dieser Zahl, derer es noch viele gibt, bei Gelegenheit: Wenn mein E-Mail-Account ausliefe und ich das nächste Mal eine Verlängerung beantragen müßte, wäre ich fast vierzig. Juni 2010. Ein Datum, das es geben wird, ein Datum, das ins Jetzt hinübergreift, indem es eins von den Daten ist, die man in Gedanken großzügig abschreitet. Räume sind das, so naheng, daß mein Planen und Voraussehn schon um sie herumfaßt. Ach, hatte ich gedacht, verlängerst dir deinen Account mal um fünf Jahre, dann hast du eine Weile Ruhe. Wie leichtsinnig. Eine Weile Ruhe. So lange ist das gar nicht, ist im Gegenteil gräßlich nah. Früher waren fünf Jahre lang, und immer noch in der eigenen Jugend beheimatet. Jetzt weisen fünf Jahre hinaus in eine Welt jenseits. Weit jenseits des Jung- aber auch des Jugendlichseins, selbst dann, wenn – was wahrscheinlich ist – ich mich kaum anders fühlen werde als jetzt, und das ist immer noch: reichlich pubertär. Wenn ich mich das nächste Mal um meinen Account kümmern muß, bin ich vierzig. Fast. Das ist ein wahnwitziger Gedanke, und sieben Uhr morgens keine gute Stunde, ihn zu denken.fficeffice" >

Zumal fünf Jahre immer weniger wert sind, je spätere fünf es sind.

Ich versuche, mich unabhängig davon zu denken, welche Zahl nun mein Alter angibt. Versuche, in mich hineinzufühlen. Versuche, umgekehrt, mich in eine Zahl, sei es 34, sei es dereinst 40, hineinzufühlen, es mir irgendwie behaglich, nein, stimmig darin zu machen. Aber ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich mich zu fühlen habe; weiß nicht und rätsele, wie man sich stimmigerweise mit 34 fühlt soll, so daß Zahl und Lebensgefühl zusammenpassen. Doch wie man sich fühlt, ist kaum zu trennen von dem, wie man von außen bestimmt wird. Hier klafft eine immer größere Lücke. Und der Macht der Zahl, wenn sie von allen Seiten und in gänzlichem Übereinstimmen aller an einen herangetragen wird, von der Wiege bis zur Bahre, kann man sich schwerlich entziehen. Was aber genau wird da an mich herangetragen? Und es geht mir auf: In meinen Bekanntenkreis ziehen immer mehr Menschen ein, die bedeutend jünger sind als ich; und die Gleichaltrigen sind alle durch die Bank Ausnahmen (wie ich selbst?). Das typische entzieht sich (und vielleicht ist das ja ein Hauptwesenszug, nein, der Wesenszug des Typischen?), wenn ich ein Beispiel nennen wollte. Es bleiben die, die vor mir 34 waren, lange vor mir; aber die entziehen sich auf andere Weise:

Denn eigentlich ist es immer schon so gewesen, mit dem Erwachsenwerden: Das war immer ein anderer. Der vorgestellte Zwanzigjährige, der anvisierte Dreißigjährige, und jetzt der Vierzigjährige, der ich bei ablauf meines Accounts (fast) sein werde, immer sah ich Menschen oder stellte sie mir vor, die auf unfaßbare Weise fertiger, ich will nicht sagen, reifer, aber ausgestalteter waren und das Leben fester in den Händen hielten. Nie hatte ich das Gefühl, jetzt dort angelangt und auch so zu sein. So einer. Ein Großer. So groß, wie die Großen es waren, als ich selbst jung zu ihnen aufsah. Ich blieb immer ich und dem Leben schwankend ausgeliefert, fragend, unverstehend, kopfschüttelnd, aufbegehrend, strampelnd, irrlichternd. Und sehr wenig Herr meiner selbst oder Bezwinger meiner Träume. Immer schon hab ich geträumt. Und gerade kommt mir der Gedanke: Vielleicht unterschied das genau die Erwachsenen von mir, der ich einer werden mußte: Daß sie in meiner Vorstellung nicht mehr träumten, sondern auf schwer bestimmbare Weise waren. Lebten.

Meistens fühle ich mich albern, und kein bißchen schlauer. Verrannt in Unhaltbares. Versponnen in wilde Träumereien, manchmal nur zusammengehalten von einem unguten Stolz. Manche sagen auch Sturheit dazu.

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