Dienstag, 2. Oktober 2007

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Oder neulich, auf einem Gang an den Pferdekoppeln oberhalb von Nettekoven. Ich hatte Schlehen gesammelt, am einzigen Strauch, der welche trägt dieses Jahr, eine kleine Tüte voll; dann trugen mich die Füße fort wie von selbst, in kleinen, schwebenden Schritten, über den aufgeplatzten Asphalt des Fahrwegs, zum Wald. Es war eine Stunde der Wachheit, wie ich es nenne. Am späten Nachmittag, nach Kaffee und Ruhen, im Freien, auf dem Feld oder einem Waldweg, geschieht es manchmal, daß die Atemzüge sich verdichten, die Schritte wie Pendel fallen, die Widerlager der Arme in knappster Genauigkeit auf und nieder schwingen. Dann ist die Luft dünn und gespannt, von Geräusch und Licht flackernd. Die Finger zucken nach Berührung, nach Erproben, die schrundige Borke einer Eiche, die Schuppen einer Föhre, einen Zapfen, eine Handvoll roter Sand, einen abgeknickten Zweig; der Blick schwirrt in den faserigen Höhlen der Hecken, Wegraine und brombeerumspindelten Zäune, Hände in den Taschen bleibe ich stehen, atme tief aus in die Ebene hinein, mit Stadt, Kirchturm und einem Heißluftballon darüber, lausche auf das Knirschen eines Fahrzeugs aus dem Waldparkplatz, auf Hufschläge und Kinderstimmen, und alles summt von verborgenen Geschichten. Stockschläge fallen aus der Tiefe des Pfades, und ins Gegenlicht hingehaucht, schwankt da, funkensprühend, die Gestalt eines Greises, der vielleicht gestern glaubte, seine Enkelin beerdigt zu haben, die gar nicht seine Enkelin ist. Ein junger Mann schlägt zaghaft die Autotür zu und wartet, die Augen beschattend, auf eine Frau, mit der er verabredet ist. Sie wird nie kommen. Jemand geht zwischen den Buchenstämmen, und ehe er verschwindet, blitzt ein Spaten kurz auf. Man betritt eine Hütte und findet auf eine Pritsche ein Photo von sich selbst.
Nur in einer solchen Stunde der Wachheit ist es je gelungen, einen Ort zu betreten, den ich mit einer Geschichte, wo sie als zitternde Spiegelung an die Oberfläche der Welt trat, gemeinsam hatte für die Dauer einer Betrachtung; einen Ort, an dem sie sich mir entgegenbog, so daß ich sie berühren konnte, ohne wirklich in sie einzudringen, bis ich schon wieder weg war, und das Fahrzeug, der Alte, das Kind, das aus dem Fenster sprang und zwischen den Spalierobstbäumen davonhuschte, wieder abgetaucht waren in den Raum ihrer Verzweigungen, still und unbekannt, an denen ich nicht mehr teilhatte.

VOCES INTIMAE

... for we have some flax-golden tales to spin. come in! come in!

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