Dienstag, 1. Juli 2008

De Melancholia Panica

Gezielte Übermüdung, um mit der panischen Melancholie (also der Schwermut, die den Gott Pan manchmal befallen muß) fertig zu werden. Nach Mitternacht ins Bett, morgens um sechs raus. Kaffee trinken (vier satt gehäufte Teelöffel auf einen Becher, schwarz, etwas Zucker), schreiben, Radio hören, Amselgeflöte in sich sickern lassen. Nebenwirkung: Irgendwelche ermüdeten Synapsen, die sonst das freie Strömen von Syndesen und Syndyaden, numinoser Nebulae, fluider Phainomena, subtiler Sibilantia und anderer somnambuler Akrochoreographien verhindern, das Kurzschließen von gegensätzlichen Ufern blockieren und so alles in farbloser Voraussagbarkeit halten, diese Synapsen geben jetzt auf, so daß die Kobolde der Hirnrinde anfangen, loszugackern, Vergrabenes aus Klein- und Stammhirn an Oberflächen quillt, wo es sonst nix zu suchen hat, und ein Dauerfeuer über das Corpus Callosum hinweg einsetzt, daß es nur so knistert zwischen den Welthälften, mit anderen Worten: Genau. Denn das ist es schon. Andere Worte. Neues. Ungedacht-Gedachtes. Qietschendes, Reibendes, Funkelndes tritt ins Bewußtsein und ist plötzlich da, war es eigentlich schon immer.
Aber das, wie gesagt, ist Nebenwirkung.
Wer müde ist, denkt anders. Nicht für jedes Denken braucht es Konzentration, manchmal ist sie sogar hinderlich. Der Ausgeschlafene denkt in starren Bahnen, ihn lenken die abrufbereiten Erfahrungen und eingespielten Muster. Lenken ihn -- aber führen ihn auch leicht in die Irre, oder in einen Kreis. Der Wache empfindet aber auch die Schwermut stärker, sie betrifft ihn, sie fordert ihn heraus. Für den Ermüdeten ist sie erträglich, die Schwermut, sie ist da, aber sie will nichts. Bei Schlafentzug sind die Empfindungen verfeinert, aber insgesamt abgedämpft, heruntergefahren und weichgezeichnet, das Grobe und Scharfe geht einen nichts mehr an, alles wird erträglich. Kummer wird zu einem kosmischen Prinzip, an dem man nur wie zufällig teilhat. (Man könnte stolz darauf sein); Sehnsucht wird fast in Schönheit verwandelt; ein Verlust läßt sich literarisch zerdenken und mit Sinn behaften, matter Liebeskummer einfach wegwachen. Heimweh wird sanft und geschmeidig und in die Vorfreude der Heimkehr verwandelt.
So verwandelt sich auch die panische Schwermut, dieser träge, süßliche Sommernachmittagsschmerz, Baumharz, Zikaden, Feigen und Salz und schöne Frauen, das plötzliche Bewußtsein, an einem amoenen Orte zu sein, und dann kann man ihm nichts abgewinnen, an einem Ort, der so schön ist, daß ihm alles fehlt, was froh machen könnte, ein Ort, der gleißt und schmerzt. Da ist es ein Glück, übermüdet sein zu dürfen, und dieses wahrnehmende Selbst – das Selbst, das denkt, „dies ist ein schöner Ort“, den Sitz der Melancholie – einfach zu verdünnen und transparent zu machen durch eine Schläfrigkeit, die so genau ausgemessen ist, daß man gerade noch widersteht. Das mildert die Schärfe des Seins, glättet die Flächen, stumpft die Kanten ab und legt über die schroffen Tatsachen den leuchtenden Mantel des Tagtraums. Fast ein Glück, gerade noch bei Bewußtsein und noch nicht im Schlaf, ein Wandeln an der Grenzfläche, akrypnobatisch, nach beiden Richtungen blicken zu können, in beider Abgrund, des Wachens und des vergessenden Schlafs, und dazwischen zu fühlen nach den leuchtenden Wörtern.




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