Mittwoch, 15. August 2007

Sommerepigramme (9)


Sonntags die Glocken holten das Weite aus den bewaldeten

Hängen. Auf dem Balkon schmolz die Ferne zu Licht.






Freitag, 10. August 2007

Postscripta: Oktober 2006

ihr gesicht verbarg sich im schatten des weges. ein wort lag, kühle regung, an seiner wange, unhörbar; er hätte nachfragen müssen, tat es nicht. anbei: efeu, grauschwarze beeren wie glocken, darunter duckte sich schrift und stein. wege von da in krümmungen über wasser, licht spannte bögen und brücken, und dort wuchsen ihrer beider füße aus dem laub, sanft schwingend wie über draht.
daß sein blick dabei fortbrach und ins seitliche ging, wo die schatten des laubs am stein zerrten wie ein starker strom.




Sommerepigramme: Wind (8)



Trinkt aus Gewölk, legt nieder den Berg, zeugt Zeiger den Uhren,

Springt aus den Glyphen des Felds: zeichnet den Baum dir ins

Ohr.






Donnerstag, 9. August 2007

Sommerepigramme (7)



Blau waren auch die Seen, die schreienden Körbe des Mittags.

Blau das Ziffernblatt: goß eine Fliege in Glas.






Dienstag, 7. August 2007

Sommerepigramme (6)



Später kam Regen zurück zu den großäugig schielenden Tonnen:

Blaues den Faden verliert zwischen den Spinnen am Dach.






Montag, 6. August 2007

Bad Suderode

Von einer Reise zu berichten. Wenn ich die Augen schließe, ein Bahnhof. Kopfsteinpflaster im Regen, Backstein, Weidenröschen zwischen aufgeplatzen Steinen. Wasser pladdert aus einem Rohr auf die Straße. Ein Fenster, das jünger ist als alles außenrum, eine weiße Gardine hinter den Scheiben, rein wie eine Kapitulationsflagge. Am Fuß des Gemäuers ein Absatz aus Beton, eine Art flacher Rampe, darin eingelassen zwei Klappen aus Eisen. In der Verlängerung des Gebäudes leere Flächen, leerer Himmel, mehr Weidensröschen, eine Reihe stilettartiger Pappeln. Ich denke mir einen Güterwaggon dazu, auf einem Abstellgleis, einen rostroten Güterwaggon mit schweren ölschwarzen Puffern. Einen Kohleberg dazu. Schuttberge. Züge fahren hier schon lange nicht mehr. Die Schrift über dem Eingang abgeblättert, der Ortsname unleserlich. Aber: ein knallrotes, frisches „DB“. Die Glastür des Eingangs führt in staubige Blindheit, die schrägen Holzgriffe der Schwingtür sind angenehm abgegriffen, warm fast, als hätten sie die Hast so vieler Hände gespeichert. Man möchte hier bleiben, es sich gemütlich machen irgendwo und dem Regen zuhören, wie er von den Stromleitungen tropft, gegen die Scheiben mit der weißen Gardine schlägt, durch die Regenrinne rieselt. In der ferne rauchen die Hügel. Die Gleise schimmern in ihrem Bett aus Porphyr. Die Leitungen schwingen. Man kann von hier nirgendwohin, also bleibt man. Gegenüber im Garten leuchtet buntes Kinderspielzeug.





Dienstag, 24. Juli 2007

Sommerepigramme (4)


Klingen: die fahren dem Berg übern Scheitel. Die drücken der Luft ein

Zeichen aus Gold auf die Stirn. So wird es Tag überm Tag.






Samstag, 21. Juli 2007

Sommerepigramme (2)


Über den Birken zu zweit, unterm wendigen Fenster der Lüfte:

Jahresringe im Strom reichern sich mehrhäusig an.





Dienstag, 17. Juli 2007

Was wollten wir (2)

Was wollten wir? habe ich an anderer Stelle einmal gefragt.
Es ist mir egal, was ihr werden wolltet, ihr versicherten, superwachen, realitätsinfizierten, traumlosen Bausparer, ich weiß nur, was ich werden wollte:

Marspilot
Lachsektengründer
Zauberer
Hirngespinstspinner
Zeitreisender
Traumtänzer
Rosa-Brillen-Designer
Schaumschläger
Sankt-Nimmerleins-Ausharrer
Fatamorganist
Rasputin
Erdbeereisverkoster
Seifenbläser
Drachendompteur
Illusioneur
Elfenphotograph
Indiana Jones
Luftschloßarchitekt
Lummerlandentdecker
Sirenenverführer
Perpetuum-Mobile-Erfinder
Bauchschmetterlingszüchter



(Habe ich „wollte“ geschrieben?)





Montag, 16. Juli 2007

Auf der Terrasse

Da bin ich wieder.
Die Amsel leiert. Du nennst es „zwitschern“. Abends auf der Terrasse, ein warmes Bier in der Hand, die Füße gestemmt auf die Dachpappe. Überkreuz Mauersegler. Du nennst es zirpen. Nach Hause kommen. Zum Glück schreien unten nur ein paar von den Bengeln, die Straße, fast ist sie ruhig. Fast. Auch so ein Wort. Eigentlich müßte es dein Lieblingswort sein. Fast. Beinahe. Ums Haar. Du nennst es „immerhin“. Busfahrten von hier nach da, das trägt immer, vorwärts vorwärts, das ist nicht das Problem. Zeit auch nicht, da gibt es Zifferblätter, Fahrpläne, Schwingungen von Quarz, Pulse von Quasaren, Kursbücher. Zeitquittungen. Du nennst es den Gang der Dinge. Ich möchte bei dir sein, ich möchte nicht bei dir sein. Ich möchte heimkehren, aber wo, bitte, soll das sein? Ich möchte einen Augenblick so lange auf der Fingerspitze balancieren, daß er nie mehr entkommen kann. Ich möchte solange über die Zeit nachdenken, bis sie zurückkommt zu mir. Du nennst es melancholisch. Die Amsel leiert, die Bengel spielen Fußball im Dunkeln noch. Ich möchte dir zuhören, wie du redest und redest und redest. Ich möchte nichts davon verstehen, was du sagst, damit ich deine Stimme besser hören kann. Ich möchte nicht nachdenken über das, was du sagst, damit ich besser achtgeben kann, wie dein Atem mich streift, während du sprichst. Ich muß dich nicht berühren, denn meine Hände haben schon so viel berührt. Ich müßte dich ja wieder hergeben. Meine Hände haben verlernt, etwas loszugeben. Sie sind schmutzig von aufgehobenem. Ich möchte nicht, daß du mich berührst, damit du mich noch berühren kannst. Ich möchte nichts von dem aufbewahren, was du sagst, damit du es mir noch einmal sagen kannst. Ich möchte nicht bleiben, sonst kann ich nicht wiederkommen. Um Straßenlaternen kreisen die Falter, du nennst es Albernheiten. Da bin ich wieder. Vier Wände, morgens der Wecker, am Wochenende ein Eis. Alleine unter den Bildern an der Tapete. Die Amsel … man könnte es Ewigkeit nennen. Du schweigst. Deine Hand halten, oft ist mir das begegnet, in der letzten Zeit öfter. Fast hätte ich mich verraten. Fast, mein Lieblingswort. Fast hätte ich deine Hand berührt, fast hätte das Fahrrad einen Platten gehabt, fast hätten wir uns getroffen, fast wäre der Zug entgleist, fast wäre die Ampel noch rot gewesen, fast wäre der Sekundenzeiger stehengeblieben, fast, mein Lieblingswort, du nennst es „gar nicht so schlecht für den Anfang“. Sich verfehlen ist auch eine Kunst, der Zufall nennt es Begabung. Das Verfehlen zu verfehlen wäre noch eine prima Steigerung, und ich möchte nicht wissen, wie der Zufall es nennt. Der Sekundenzeiger geht immer noch. Der Ball prallt ans Garagentor, aus Kübeln quellen die Stiefmütterchen, der Bus macht eine Kehre, und noch eine, und die Kehren tragen mich fort und hin, und es bedürfte schon einer Sphinx, mir hier noch ein Rätsel aufzugeben.




Mittwoch, 11. Juli 2007

stumm

Also, so macht das hier keinen Spaß mehr. Wenn ich nicht gelesen werden wollte, würde ich wieder auf Papier --

Ist da wer?

Dienstag, 10. Juli 2007

...

Silberahorn zwängt die Klingen der strebsamen Flügel

zwischen Wolke und Bahn: noch gibt es Raumes genug.





Montag, 9. Juli 2007

...

Regen. Zu Hause die Brüche und Nässen der mauernden Zeichen:

mittags fällt Wolke und Licht über die Trauernden her.






...

Es ist gar nicht schlimm, sich etwas vorzumachen, solange man nur dauerhaft darin erfolgreich ist.



Donnerstag, 5. Juli 2007

...

dunkelstes:
das wiedererwachen. die zerbohrten kußkanäle. der raum zwischen blitz und finger.
hellstes:
die angst. die feder. das einzige bleibewerkzeug.
längstes:
der maulwurf. der wappenbaum. der raum zwischen wand und hand.




Mittwoch, 4. Juli 2007

Auf dem nachhauseweg

manche blumen blühen nur nachts, da könnte man lange dunkelheiten umschichten, so zielsicher wie die meerenen flügel des falters wirst du nie für die grenzflächen der angst gewonnen sein.
hier ist der kühle docht, sieh, wie er geschwollen ist vom dunkel. auf kleinen zetteln verteilt: ein lächeln, das protokoll eines abends, lampions überm kiesenen strom. auf manchem heimweg ist die luft von haaren bewachsen, daß es schwelgt von puppigen augenlidern. gelbe türen, gebohrt ins abgeschiedensein von glasstille, halten das licht offen. tritt ein. gerade noch mit dem gestern beschäftigt, gelingt nun mit zittriger schrift dem müll ein epitaph. späteres wechselt mit früherem, heimgänge mit weinenden frauen, mutiges mit zimteis: in einem telephonbuch müßte man ihn nachschlagen, den geschmack deiner lippen. ein finger drückt sich aus dem hellen innern des busses. er malt der nacht ein licht nach, zeichnet ihr was auf die sohle. manche telephonbücher sind in der reihenfolge deiner farben geordnet, deiner füße und reißverschlüsse. wer könnte da die linien finden, um die sich die hände geschlossen haben? so verloren wie der falter wirst du nie zur blüte sagen: ich bin.



VOCES INTIMAE

... for we have some flax-golden tales to spin. come in! come in!

Kommt herein, hier sind auch Götter ...

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