Am morgen, später
Schon früh, gegen sechs Uhr, im Wald. Abends hat man ihn noch gehört, am Morgen bin ich mir nicht mehr sicher: Kann sein, daß eine seiner glockenhellen Kaskaden im Halbschlaf wahrnehmbar wurde. Als ich loslief, herrschte Schweigen straßauf und straßab. Losgelaufen mit dem Gefühl, zu spät dran zu sein.
Man bewegt sich zu den Rändern der Stille. Die Laternen an der Straßenbahnhaltestelle stehen wie Scheinwerfer über einem Gefängnis und tauchen die Schranken und Bahnsteige in natriumgelbes Licht. Alles, was fährt, bewegt sich wie außerhalb einer Demarkationslinie. Jeder Laut ist fern, als wäre das in dieser Stunde die einzige Möglichkeit für ein Geräusch, überhaupt zu existieren: hinter Verschachtelungen des Raums, in einer absolut gewordenen Dahintrigkeit, abseits von allem, vielleicht sogar von sich selbst.
Das Grau ihres Lockenschopfs sieht aus als hätten das Haar seine Farbe heute Nacht irgendwo abgelegt und dann vergessen. Das Grimmige in den Zügen der Frau (die Lippen ein Nein-Strich, die Nase mißmutig, wie schnüffelnd zu Boden gerichtet) scheint es zu bestätigen. Nur der Hund, der vor ihr an der Leine watschelt, ist guter Dinge und schaut mit einem Blick an mir hoch, der wohl sagen soll, ich dürfe Frauchens Schrullen nicht so ernst nehmen.
Später der Wald. Der Pfad hat die Jahreszeiten von sich geworfen. Er ist absolut gewordener Pfad, jenseits von zeiten und Abläufen, nichts geht ihm voran, nichts wird ihm je folgen. Unbestimmbar ist der Reifungs- oder Zerfallsgrad von Blattwerk, Blütenstand und Pupa. Der Himmel hängt farblos als etwas, das zwischen den Baumkronen eben auch noch da oder übrig ist, eine Ahnung von einem Zustand der Welt, in dem alle Dinge plötzlich fehlen und nur noch eine Sichtbarkeit ohne Farbe zurückbleibt. Plötzlich kommt mir der Wald begrenzt vor, seine Wege laufen in sich selbst zurück, hinter dieser Ilexreihe gibt es nur noch diesen farblosen Himmel, sonst nichts, aber die Grenze erreichst du nicht. Dein Schritt wird langsamer, du stolperst über eine Wurzel, ein morscher Zweig gibt unter dir nach, und wenn du wieder aufschaust, liegt vor dir der Weg, den du eben verlassen hattest.
Zurück, ist es Tag geworden. Die Straßen sind aufgewacht, die Scheiben blinzeln in den Himmel. Ein Automotor springt an. Unwirsch hängt Zigarettenrauch in der Hecke fest. Ein Baugerüst blitzt, Rufe gehen hin und her, Hammerschläge treiben Spalten ins Gehör. Sie sind wieder da, denkt man, die Schaffer und Häuslebauer, die Pläneschmieder und Zirkusdompteure der Langeweile, und die ganze Fauna nimmt reißaus und geht schon mal in Deckung.
Heute, Tage später, hat man endlich Gewißheit erlangt: Die Buchfinken haben ihr Jahreswerk vollbracht. Was neulich noch in den morgendünnen Schlaf ragte, war ihr letzter Ton, und vielleicht hat man auch dieses nur mehr einer Erinnerung nachhängende Zwitschern bloß geträumt. Der Sommer schaut auf die Uhr, die Sonne blickt verlegen drein. Man tritt vor die Tür zu einer Stunde, die gestern noch Sechs Uhr hieß, der Buchfink ist Geschichte und man läuft wieder los, mit dem Gefühl, zu spät dran zu sein.
Man bewegt sich zu den Rändern der Stille. Die Laternen an der Straßenbahnhaltestelle stehen wie Scheinwerfer über einem Gefängnis und tauchen die Schranken und Bahnsteige in natriumgelbes Licht. Alles, was fährt, bewegt sich wie außerhalb einer Demarkationslinie. Jeder Laut ist fern, als wäre das in dieser Stunde die einzige Möglichkeit für ein Geräusch, überhaupt zu existieren: hinter Verschachtelungen des Raums, in einer absolut gewordenen Dahintrigkeit, abseits von allem, vielleicht sogar von sich selbst.
Das Grau ihres Lockenschopfs sieht aus als hätten das Haar seine Farbe heute Nacht irgendwo abgelegt und dann vergessen. Das Grimmige in den Zügen der Frau (die Lippen ein Nein-Strich, die Nase mißmutig, wie schnüffelnd zu Boden gerichtet) scheint es zu bestätigen. Nur der Hund, der vor ihr an der Leine watschelt, ist guter Dinge und schaut mit einem Blick an mir hoch, der wohl sagen soll, ich dürfe Frauchens Schrullen nicht so ernst nehmen.
Später der Wald. Der Pfad hat die Jahreszeiten von sich geworfen. Er ist absolut gewordener Pfad, jenseits von zeiten und Abläufen, nichts geht ihm voran, nichts wird ihm je folgen. Unbestimmbar ist der Reifungs- oder Zerfallsgrad von Blattwerk, Blütenstand und Pupa. Der Himmel hängt farblos als etwas, das zwischen den Baumkronen eben auch noch da oder übrig ist, eine Ahnung von einem Zustand der Welt, in dem alle Dinge plötzlich fehlen und nur noch eine Sichtbarkeit ohne Farbe zurückbleibt. Plötzlich kommt mir der Wald begrenzt vor, seine Wege laufen in sich selbst zurück, hinter dieser Ilexreihe gibt es nur noch diesen farblosen Himmel, sonst nichts, aber die Grenze erreichst du nicht. Dein Schritt wird langsamer, du stolperst über eine Wurzel, ein morscher Zweig gibt unter dir nach, und wenn du wieder aufschaust, liegt vor dir der Weg, den du eben verlassen hattest.
Zurück, ist es Tag geworden. Die Straßen sind aufgewacht, die Scheiben blinzeln in den Himmel. Ein Automotor springt an. Unwirsch hängt Zigarettenrauch in der Hecke fest. Ein Baugerüst blitzt, Rufe gehen hin und her, Hammerschläge treiben Spalten ins Gehör. Sie sind wieder da, denkt man, die Schaffer und Häuslebauer, die Pläneschmieder und Zirkusdompteure der Langeweile, und die ganze Fauna nimmt reißaus und geht schon mal in Deckung.
Heute, Tage später, hat man endlich Gewißheit erlangt: Die Buchfinken haben ihr Jahreswerk vollbracht. Was neulich noch in den morgendünnen Schlaf ragte, war ihr letzter Ton, und vielleicht hat man auch dieses nur mehr einer Erinnerung nachhängende Zwitschern bloß geträumt. Der Sommer schaut auf die Uhr, die Sonne blickt verlegen drein. Man tritt vor die Tür zu einer Stunde, die gestern noch Sechs Uhr hieß, der Buchfink ist Geschichte und man läuft wieder los, mit dem Gefühl, zu spät dran zu sein.
von: Strigops habroptilus - am: 3. Aug, 13:59 - in: orte. wege