Mittwoch, 21. Mai 2008

Bahnhof Süd

Jetzt haben sie da einen Zaun hochgezogen.
Der Kampf zwischen Reisenden und Pendlern auf der einen und der Bahnhofsverwaltung auf der anderen Seite tobt seit Jahren, mindestens 16, solange verfolge ich die Sache jedenfalls schon. Der Kölner Bahnhof Süd ist schon von seiner Anlage her eine einzige Schikane. Es gibt zwei Eingänge: Der eine, von der Zülpicher Straße aus, führt direct auf den Bahnsteig zu Gleis 3, das nur für Ausweichmanoever da ist, und 4, auf dem die Züge von Bonn und weiter nach Köln Hauptbahnhof halten. Der andere Eingang, am anderen Ende des Bahnsteigs in der Luxemburger Straße, führt in eine Halle, von der aus sowohl Gleis 1 (und damit die Züge nach Bonn, Koblenz und Trier) als auch die erwähnten Gleise 3 und 4 zugänglich sind. Während man also von der Luxemburger Straße kommend Zugang zu den Zügen in beide Richtungen hat, ist man, wenn man den Bahnhof von der Zülpicher Straße aus betritt, zu einem weiten, über die gesamte Länge des Bahnsteigs (200m) führenden Umweg zur Unterführung auf der gegenüberliegenden Seite gezwungen. Hat man die Zeit knapp calculiert, weil man mit so einer idiotischen Anlage nicht gerechnet hat, dann ist der Zug weg, bevor man die 200m zurückgelegt und die zwei Treppen gemeistert hat. Es gibt nun zwei Möglichkeiten, wenn man von der Zülpicher Straße aus den Bahnhof betreten hat und es bis zur Abfahrt noch zwei oder drei Minuten sind. Entweder man verzichtet auf den Zug (und wartet bis zu 40 Minuten); oder aber man springt kurzerhand über die Gleise, verkürzt damit die Entfernung von 200m auf gerade mal 5m und erreicht den Zug, ohne auch nur außer Atem zu geraten.
Das ist natürlich strengstens verboten.
Dazu muß man sagen, daß die Strecke in beide Richtungen gut einsehbar ist, ein eventuell herannahender Zug rechtzeitig gesehen werden kann, und daß, wer nicht blind und/oder gehbehindert ist, nicht die geringste Gefahr dabei auf sich nimmt. Da wir aber in einem Land leben, in dem die Bürger zunehmend vor sich selbst geschützt werden müssen und niemandem mehr Eigenverantwortung zugestanden wird, ist die Bahnhofsverwaltung (oder wer immer dafür zuständig ist) in letzter Zeit dazu übergegangen, die (verständlicherweise zahlreichen) Übertritte mit einem massiven Aufgebot an Polizei und privaten Sicherheitskräften zu verhindern, bzw zu ahnden. Und jetzt, als neueste Maßnahme, wird da ein Zaun hochgezogen, der den Zugang zu den zu überquerenden Gleisen verhindern soll.
Bei so etwas bekomme ich Herzrasen vor Wut. Die Anlage ist eine planerische Katastrophe, der ganze Bahnhof falsch concipiert, diese Tatsache seit Jahrzehnten bekannt; die Verhältnisse unzumutbar, der Tactverkehr zwischen Bonn und Köln so mager, daß Wartezeiten von einer dreiviertel Stunde keine Seltenheit sind; obendrein die Costen für die Überwachung, Durchsetzung und Ahndung des Verbots sicher kein Quincerlitzchen (teilweise vier Polizisten, zwei hier, zwei dort, einen ganzen Tag lang), und zusammen mit den Costen für einen 2,50m hohen, im Bahnsteig festcaementierten Zaun sicher so hoch, daß man dafür das einzig Sinnvole hätte financieren können.
Eine einfache Brücke.
An der umkämpften Stelle so eine einfache Stahlconstruction, wie sie an einem oder zwei Nachmittagen zu errichten ist, und sie an zahllosen Orten zur Umgehung bei Baumaßnahmen aufgestellt wird. Eine simple, nicht allzu teure Maßnahme, die alle zufriedengestellt hätte.
Und jetzt haben sie da einen Zaun hochgezogen.

Hier noch ein persönliches Erlebnis in diesem Zusammenhang

Freitag, 16. Mai 2008

...

Was mich noch an die Grenze zum Wahnsinn befördert: Die Kraft der Dinge, Wiederzukehren, ihre zyklische Gewalt und Eigengesetzlichkeit. Da waren wir doch schon, sagt mir mein Spiegelbild, und haben wir zwei nicht schon einmal gelitten wie ein Hund, und haben wir es nicht schon einmal von neuem nicht glauben wollen, und hat es uns nicht schon einmal nichts und abernichts genützt, daß wir’s schon vorher wußten? Sagt mein Spiegelbild und grinst schief. Was willst du? Es so lange drauf anlegen, bis dir deine Lächerlichkeit von außen ins Gesicht geschrieen wird? Daß du es endlich glaubst?
Gib’s auf, gib’s auf! ruft er mir zu, und auch das hatten wir schon einmal.

Mittwoch, 14. Mai 2008

Und das Mädchen

Sie sitzt mit dem Rücken zum Fenster und blickt in einer Art ruhiger Aufmerksamkeit in den Raum, vielleicht auf die Landschaft, die vor der gegenüberliegenden Fensterreihe wahrscheinlich vorbeigleitet. Auf ihrer großen, seitlich den Blick auf die Nase versperrenden Brille mit Kunststoffgestell gleiten jedenfalls schwache Bilder. Ihr Gesicht sieht aus wie das von Leuten, die mit dem Zucken des Nasenflügels ihre Brille hochschieben können. Hinter der von Kinn, Hals und Schulter gebildeten Bucht schwebt eine Haarsträhne, vom Licht, das durch die Scheiben flackert, mild durchleuchtet, und im Maße ich sie beobachte, die einwärts gerichteten Fußspitzen, die linke Hand über der kurzfingrigen Blässe der rechten, die kleine Uhr mit Lederband: überkommt mich plötzlich eine große Traurigkeit, lähmend und auswegslos, darüber, daß ich sie so ansehe, so genau, so kühl, eine Wehmut darüber, daß ich sie studiere und abmustere und mir alles merke, alles: Je länger dieser Blick dauert (ein gieriger, wenngleich nervöser Blick, der sich nach Ruhe sehnt), desto stärker wird die schmerzende Gewißheit, am falschen Ort zu sein, oder anders, nicht am falschen, sondern am furchtbar richtigen, das Gefühl, zu groß für diesen Raum zu sein, zu atmend:
Sie sitzt, als warte sie auf ein Du, in einem Kreis aus Licht oder Dunkelheit, das ist nicht so genau festzustellen für meine Dämmeraugen. Der Reifen ihres aufgebockten Fahrrads dreht sich und dreht sich und dreht einen blitzenden Speichenwirbel durch den Fahrgastraum, daß es klingt wie die scheußliche Stille nach einem Sturz, einem letzten Schrei. Das Mädchen blickt über mich hin, streift mich, ohne mich zu sehen, läßt den Blick wieder forttrudeln nach draußen, wo die Landschaft immer weiterzieht. Sie trägt eine sehr enge, tiefausgeschnittene, olivfarbene Bluse, deren Ärmel ganz kurz sind, kaum über die Schulter reichen und den Arm achselknapp umschließen, den milchweißen, matten, glatten Arm; spielerisch sieht das aus, wie geprobt, wie von einem Kind getragen. Geprobt und wie mal so eben ausprobiert sehen ihre Brüste aus, als hätte sie sich noch nie mit ihnen beschäftigt. Der Stoff der Bluse ist bedruckt mit großen Blatt- und Blütenformen in rosa und türkis und blaßorange, wie ein Märchenwald, ein Zaubergarten. Eine große aufgefächerte Nelke blüht genau auf der linken Brust, als sei dieser Stoff und die Blume ihre eigentliche Haut, wie eine natürliche Effloreszenz der Drüse selbst, oder aber eine Botschaft: Geh vorüber, rühre mich nicht an!

Freitag, 9. Mai 2008

Tipulidae

Tipulidae

Mittwoch, 7. Mai 2008

Ex Libris

Wieder einmal sind die Bücher mehr. Du lebst aus Büchern, du lebst durch sie, du saugst dein Lebenselixir aus ihnen, das, was in dir war, schon immer, und was dir jetzt widergespiegelt wird aus dem Imaginiert-Realen oder auch Real-Imaginierten. Balancieren auf einer Grenzfläche, solange die Konzentration der Einbildung, des Vorstellungswillens nur währt, bereit, zu beiden Seiten ins Diesseits der Ernüchterung abzustürzen, krank vor Eifersucht auf dich selbst, auf das Wunderleben, das an deiner statt das andere du dort lebt.

Dienstag, 6. Mai 2008

Bahnhöfe oder Brücken oder

ich stelle mir vor, wie es wäre, aufzuspringen, hinauszuhechten durch die sich schon wieder schließende bustür, straßenbahntür, zugtür, und dir nachzu-… bevor die treppe sich um einen letzten schritt kantet … doch im nächsten augenblick blitzt die sonne auf dem wasser, ein blatt knistert über den beton, schatten stehen unter der brücke, und leuchtendbunte fahrräder. die zunge am gaumen, die hand gestreckt gegen das licht, dastehen, blinzeln. den kopf einziehen. und für ein du hat es wieder nicht gereicht.

Dienstag, 29. April 2008

"... poetische Visionen ..."

Ich sollte solche Bücher nicht lesen. Das macht alles kaputt. Wenn ich von "poetischen Visionen" lesen muß, die sich als "tragfähig" erweisen (oder eben auch nicht!), werde ich ganz furchtbar klein und mache mich auf die Suche nach einem Mauseloch ...

Gut war auch der Ausdruck: "gefällige Proben von guter Handwerkskunst" (wenn die "poetische Vision" fehle und der "Telos" nicht "stark zu spüren" sei)

Samstag, 26. April 2008

sommerwahnsinn

im übrigen fangen jetzt unsere nachbarn auf der anderen seite (also, die, mit denen wir eine fensterlose wand über die länge der wohnung gemeinsam haben) auch mit so einer pochpochpoch-musik an. sie grillen, und dabei haben sie das drinnen so laut laufen, damit man's auch im garten hört. warum man beim grillen musik haben muß, ist mir ein rätsel. wahrscheinlich, damit man die störenden amseln nicht so mitkriegt.
es gibt kein entkommen mehr. und der abend auf der terrasse ist mir verleidet. da scheint die sonne zum erstenmal im jahr so warm und sommerschön, daß auch die verschlafenen amseln und buchfinken endlich lust zu singen haben, und ich hocke in der bude, alle fenster zu, und betäube mich mit Strauss. das war früher nicht. dieses allüberall des lärms. das hat es einfach nicht gegeben. wohin führt das noch alles? und sollte es wirklich fürderhin keine stillen sommerabende mehr geben? hört eigentlich jemand, daß jede amsel ihre eigenen unverwechselbaren melodien hat?

es kommt dann dazu, daß ich selbst dagegenhalte und im zimmer Richard Strauss in original-orchesterlautstärke abspiele; nicht, um die anderen zu ärgern (hören sie eh nicht), sondern um mich innerlich zu reinigen.

ich muß hier weg.

Freitag, 25. April 2008

...

Die Sache ist die, ich weiß einfach nicht, was das alles zu bedeuten hat.
Ich weiß nicht einmal, welche Fragen ich stellen müßte.

unerreichbar

im frühjahr falle ich stets aufs neue aus den büchern und den geschichten. vielleicht sind es die gemeißelten helligkeiten, vielleicht der klang. in dieser wie angestoßen, glockendröhnenden welt (eine welt des beginns) sind die möglichkeiten derart wirklich, daß ihr gegenstand völlig unmöglich wird. wovon man vor einer stunde noch zu träumen imstande war, jetzt ist es so unausweichlich da, daß die entfernung, der lebensabgrund von den eigenen fingerspitzen dorthin, unüberbrückbar geworden ist
die janusköpfigkeit der schönheit – aller schönheit – die zugleich hier ist und im augenblick des schauens und schauerns bereits nicht mehr – nie – erreicht werden kann, ein beständig sich erneuerndes hoffen-getäuscht-werden. selbst wenn ich das erreichte, wovon ich glaube, daß es der gegenstand des sehnens ist – so wäre es in diesem augenblick schon nicht mehr das ersehnte, bei allem gewährten glück nicht.

Freitag, 18. April 2008

Rheinbrücke

Und ich will aber, daß du auf mich aufpaßt, trotzdem, hat sie einmal geschrieben.
Die Möwen auf dem Geländer der Rheinbrücke sind alle in der gleichen Richtung gesessen, die Schnabelblicke wie die Zuschauer in einem Theater auf den vorbeifließenden Verkehr gerichtet, in einer langen Reihe, dichtandicht, die Schnäbel zur Straße, weg vom Wasser. Es war Winter, als sie so dasaßen, in einer Reihe. Flügel an Flügel. Manchmal bauschte sich Gefieder, wenn eine Bö hineingriff, ansonsten saßen sie alle still da, einvernehmlich nebeneinander und ganz still. Amüsiert die der Stau, habe ich mich gefragt, die Verkeilung von Bus, Straßenbahn und PKW, das fröstelnde Flitzen der Radfahrer?
Das müßte ich ihr schreiben, habe ich gedacht, das müßte ich E. erzählen, das würde ihr gefallen. Wie sie da sitzen, aufgereiht auf dem Geländer, alle die Schnäbel in eine Richtung, du hättest gelacht, nicht?
Ich krallte die Hände in die Lehne des Sitzes, gab das Fokussieren auf, und während ich in die Glitzersterne überm Wasser flog, habe ich gedacht, wie traurig Flüsse sich anfühlen können.



Donnerstag, 17. April 2008

...

aus den geschichten entlassen, befällt einen wieder die traurigkeit der echten rosen




Mittwoch, 16. April 2008

Noch ein Traum von E.

noch einmal von E. geträumt: ein vereinshaus, eine versammlung, ein club, wir zu gast, halb teilnehmend, halb unbeteiligt, stehen, sitzen, hängen (?) in einer vorhalle, einem foyer, vor einem dunkelspiegelnden fenster, und E. zeigt mir, will mir zeigen, was ihr freund M. ihr auf die rechte brust geschrieben hat (eine blauschwarze eddingtinte, leicht verschmiert), ich will es gar nicht wissen, nein, ich will es nicht, erhasche aber einen blick darauf, auf die über E.s sanft nach außen fallende brust gewellte schrift, sehe es augenwinklig ohne zu lesen, aber E. sagt es mir, er habe geschrieben, frauen sind flirterinnen? ich lach mich schlapp, und sie findet das höchst komisch, schüttet sich aus vor lachen (ihr mund sehr breit dabei), „er lacht sich schlapp, verstehst du?“ und da begreife ich den tieferen witz, „er lacht sich schlapp“, das heißt, er ist schlapp und zwar, wie E.s lachen zu entnehmen ist, in einem ganz besonderen sinne.
später wieder vor einer scheibe, ein schaufenster in bonn, bahnhofsnähe, das schaufenster einer bäckerei, wir lagern dort (auf einer portaledge? einem gerüst?), während ein gelehrter (gastvortrag) auf die scheibe des schaufensters malt und dazu doziert, einen zusammenhang herstellt zwischen den bewohnern des einen landes, die die frisuren der bewohner eines anderen landes kopieren und dann wieder von den ersten zurückkopiert oder -variiert werden, und dann „haben wir einen diskurs!“ sagt der gelehrte und breitet veranschaulichend die arme aus. ich sage etwas sehr allgemeines zu E. und dann füge ich ironisch hinzu, sie sei bestimmt beeindruckt von der scharfen exaktheit meiner bemerkung, und während sie herzlich darüber lacht, ist ihr mund wieder ganz breit.

Dienstag, 15. April 2008

Rauch

Bogenförmige Versteifung … Irgendwo hatte ich diesen Ausdruck schon einmal gehört. Ich erhob mich, sah, daß die Frau gegenüber mich anstarrte, starrte freundlich zurück (erhaschte dabei einen rieselnden Blick auf ihr nacktes Kinn), suchte in der Weste nach den Zigaretten und begriff, daß hier abermals ein Fall von absurder Steigerung eines durch elementares Unglück verursachten Kummers infolge eines an sich völlig belanglosen Ärgernisses vorlag. Und so war ich wie ein Hiob ordentlich verzweifelt, als ich feststellen mußte, daß sich all meine Rauchwahre oben in der Wohnung befand. Vor der die Fahnder auf mich warteten, wenn sie nicht schon die Geduld verloren hatten.
Steif erhob ich mich und ging zur Theke.
Ich äußerte meinen Wunsch, griff nach der Geldbörse, suchte darin einen Schein und sah beim Aufblicken, daß die Verkäuferin mich bewegungslos ansah. Erwartungsvoll. Ich schaute nicht minder erwartungsvoll zurück. So starrten wir eine Weile; hatte sie vielleicht nicht richtig gehört? Doch während ich meinen Wunsch wiederholte, beschlich mich wieder das Unbehagen, das ich in den letzten Wochen und Monaten so oft empfunden hatte. Was war jetzt wieder falsch?
Sie hob leicht die Schultern, öffnete weit die Augen, und da war es wieder. Ich erinnere mich nicht, wann die Leute damit anfingen. Lexikalisch war es ein „ja“. Der a-Laut aber ganz kurz und wie abgerissen vom nachfolgenden, deutlich hörbaren Kehlkopfverschluß, was immer so klang, als habe ein Sturm das Wort weggeblasen. Ja’. Man ließ die Schultern nach vorne fallen, reckte den Kopf vor, riß die Augen weitauf, und dabei machte man ja’, hielt die Stimme an und damit die Spannung (man konnte förmlich die Bauchmuskeln sich kontrahieren sehen), vielleicht schüttelte man auch ein wenig den Kopf dabei, während, ja’, die Stimme vermittels der Körperspannung illusionär fortklang, um dann nach einem Schreckmoment wieder einzusetzen, so wie jetzt.
„Ja’ – Ihre Kaaaarte! Die letzten beiden Wörter wie das herrische Motiv eines Marsches oder düsteren Tanzes, dada diiiiii da, verärgert, ungeduldig, unduldsam. Ihre Kaaaarte. NunmachenSieschon.
Welche Karte? Sie hatte die Hand schon ausgestreckt. Am Ringfinger trug sie einen quietschrosa Ring. Ihre Nägel waren so lang, daß ich durch das dünne Horn den abspringenden Lack auf der anderen Seite sehen konnte. Mir dämmerte, was sie von mir wollte. Ich schüttelte den Kopf.
„Ohne Karte kein Rauch.“
„Hören Sie … ich hab sie vergessen, ich … wußte nicht, wie lange …“
„Ohne Karte kein Rauch.“
„Können Sie nicht mal eine Ausnahme machen?“
„Hören Sie, da könnte ja jeder kommen und wollen, daß man ’ne Ausnahme macht. Nee nee, entweder Sie haben eine Karte, damit der Rauch ordentlich verbucht wird, oder es gibt keinen Rauch.“
„Aber ich … nur unter uns … vielleicht … braucht doch keiner zu erfahren …“
„Nein, es – geht – nicht! Selbst wenn ich einverstanden wäre – was ich nicht bin, schließlich muß ich letztendlich dafür aufkommen, wenn Sie Ihre Gesundheit ohne Rückstufung ruinieren – aber selbst wenn, wie gesagt, es geht nicht. Der Automat gibt mir nur nach Einlesen der Karte Ware heraus. Ist automatisch. Nichts zu machen. Tut mir leid. Au – to – ma – tisch.“
Ich hätte es wissen müssen. Wie so oft in letzter Zeit hatte ich die Lage unterschätzt. In einer resignierten Geste ließ ich meine Handfläche auf den Tresen aufklatschen und wandte mich ab; und schlurfte, noch ein Stück müder, durch den Sonnenfleck zu meinem Tisch und dem kaltgewordenen Tee zurück. Dabei schloß ich einen Moment geblendet die Augen, und es schien, so lange ein Herzschlag dauert, daß der Boden in einer spiegelnden Bewegung wegkippte. Ich griff hastig nach der Tischkante. Nach einem Atemzug wurde das Bild wieder klar. Vor den Scheiben fuhr ein Lastkraftwagen an, lautlos eine Abgaswolke aus dem Rohr blasend.
Die Sonne blitzte noch einmal über die Scheiben, der Fahrer schaltete, eine weitere Rauchwolke drang aus dem Schornstein; die Straße jenseits der Berberitzenhecke zitterte und dröhnte, und in diesem Moment begriff ich endlich: Ich mußte weg.

Montag, 14. April 2008

Abermals Traum von E.

Beim Erwachen der Regen, aus den Tiefen der Zeit aufrauschend, die Tücher der Helligkeit, die traurigen Tücher.

Ein Traum von E. Zuerst bei ihr in einer merkwürdigen Kellerwohnung. Wir sind uns wieder näher gekommen, trotzdem bleibt sie (Sinnbild unserer ganzen tatsächlich stattgehabten Beziehung) fremd, geheimnisvoll, unergründlich-unzugänglich oder sprunghaft unvorhersehbar, beginnt plötzlich Vorwärtsschwünge an einer niedrigen Reckstange zu üben (ihr schwarzes Haar fällt ihr vornüber). Später bin ich allein in der Wohnung, nackt im Bett, da kommt jemand herein, und ich habe panische Angst, es könne ihr Freund M. sein. Ich bedecke meine Köpermitte hastig mit der Decke und hersche den anderen an, er solle bitte gehen. Er ist einer von E.s Studenten, der etwas mit ihr besprechen will und durchaus keine Anstalten macht, zu gehen. Dann kommt noch jemand, wieder die Angst vor M., aber wieder ein anderer.

Es geht immer wieder darum, ob wir oder nicht, aber was genau? Miteinander schlafen? Uns wieder zusammentun?, Eine Daueraffäre habe? Alles zusammen. Ich umarme sie. Ich beruhige sie. Ich bin fern von ihr, sehe sie auf einem Poster, sie hat ganz kurze blonde Haare, ein rosafarbenes weites T-Shirt, eine Halskette. Ich bin fern von ihr, hoffnungsvoll, quälend-hoffnungsvoll fern.

Schließlich will sie mich spontan in den Mund nehmen, aber bevor sie sich noch richtig über mich gebeugt hat, glänzt schon ein Samentropfen auf ihrem Kinn, und dann werden es immer mehr, obwohl ich noch gar nicht gekommen bin, Schlieren, die ihr auch störend die Augen verkleben, und die ich, immer besorgt, es könne ihr gleich zuviel des guten sein, mit einem Taschentuch wegzuwischen versuche, wobei ich sie nur verteile, so daß sie fortfährt, ihre Augen zu reiben.

Beim Erwachen der Regen. Die traurigen Tücher. Das träge, aus den Tiefen der Zeit aufsteigende und in dieselben Tiefen zurückfallende Prasseln, Pladdern, Tropfen. Das Tropfen.

VOCES INTIMAE

... for we have some flax-golden tales to spin. come in! come in!

Kommt herein, hier sind auch Götter ...

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