Donnerstag, 11. August 2005

wald der möglichkeiten

Beschäftigung mit den verwandten Plänen anderer wirft sich zurück auf meine eigene Situation und weckt prinzipielle Fragen auf, die, nein, nicht schliefen, aber immer wieder glücklich sich verdrängen ließen und lassen. Immer wieder am selben Punkt. Ich bin doch schon da, wo ich hinwollte. Oder nicht? Ist das Aufgeben des Veröffentlichungsgedanken nur ein Rückzug, ein selbstbetrügerischer Verzicht, gewissen zu sauren Trauben nicht unähnlich? Und zufrieden kann ich erst sein, wenn ich mit dem „Werk“ zufrieden bin. Und von dessen Ausformung in einer Gestalt, mit der ich zufrieden wäre, bin ich fürchterliche Meilen entfernt, oder besser: Jahre.

Klar, danach wäre etwas Neues zu erringen. Aber dann hätte ich doch wenigstens schon mal was. Etwas Abgeschlossenes, auf das sich blicken ließe. So hänge ich mir selbst im Raum meiner Träume und Ansprüche fest. Ich schreibe noch nicht, ehe ich geschrieben habe.

Daß aber nur als Lebensweltproblem. Davon unabhängig sind die technischen Probleme

Und die sind schwer zu erfassen.

Dramaturgie? Szenengestaltung? Spannungsaufbau? Wechsel von beschreibenden und erzählenden Passagen? Was sage ich wann wie? Aber wieviel läßt sich überhaupt lernen?

Ein Exposé hab ich schon oft versucht. Problem (und da kann mir kein Kurs helfen): Es ändert sich ständig. Ich kriege keine story line zu fassen, die dem Eindruck, den ich vermitteln will, angemessen wäre. Hab schon zig Handlungsverläufe und Konstellationen durch. Es kommt nicht das raus, was ich will.

Ich zäums von hinten auf. Stehe am Ende und frage mich, wie es dazu kommen konnte, in den vielen Einzelheiten, die so arrangiert sein wollen, daß sich ein ganz bestimmter Eindruck daraus ergibt. Sich im Kopf des Lesers quasi synthetisiert aus dem vielen Einzelnen, das ich zu diesem Zweck anordnen muß. Es muß etwas geschehen sein, damit dieses Ende so zustandekommen kann. Das Problem ist das, was am Ende nach- und mitschwingen soll. So wie sich das Gesamtgeschehen einer Symphonie angehäuft hat, wenn der Schlußton verklungen ist. Die gesamte Stimmung ist nur in wenigen Absätzen aufrechtzuerhalten. Ich weiß nicht, welche kleinen Schritte (Wörter, Sätze, Phrasen) ich wie zusammenstellen muß, um eine bestimmte Gesamtatmosphäre zu erschaffen, die gleichsam in den Schlußsätzen mündet und in ihnen gipfelt. Ich kann nicht einfach drauflosschreiben und mich selber überraschen. Ich fühle mich ein bißchen wie ein verrückter Ingenieur, der einen Haufen Drähte, Stahl, Plastik und Schaumstoff in die Luft wirft und hofft, daß sich daraus eines Tages ein Flugzeug ergibt. Das Ergebnis steht schon fest, aber wie dahin gelangen? Und dazu ist es ein so diffuses Ziel, daß ich mich selbst verlaufe im Wald der Möglichkeiten.
Talakallea Thymon - 11. Jan, 11:03

(17.8.05 15:54)
Einfach loslassen. Lassen.
Los. Weg. Frei. und dann wieder los.
LOSSCHREIBEN.
Ich kenn das ganze Problem. Und so trefflich wie du es beschreibst, könnte ich es gar nicht.
Also kannst du auch das schreiben, was du möchtest.
Und das Gute ist: Man wird ja nicht schlechter beim Schreiben. Nur besser.




(29.8.05 11:29)
Grüß dich,
Wellen schwappen von Person zu Person und von Blog zu Blog. Die Unruhe scheint global unter Uns Schreibern. Woher der Glaube an die Konstruktion?
Entdecke persönlichst, dass universitär gelehrte LINEARITÄT mäandrierende Schreibnaturen bedrängt und das Ausdrucksdrängen einebnet zu Platthandlungsebenen oder allzu verschlungener Geometrikalkonstellation, bis man sein eigenes Wort nicht mehr versteht
und naturgemäß verzweifeln muss.
Tut das Not? frage ich mich ein jedes Mal dann wieder.
Was dränge eigentümlich und ursprünglich? Wo hat die Irratio noch Platz?
Die sauren Trauben scheinen aucb mir oft überm Haupte zu hängen. Guter Vergleich, passendes Bild.
Meine Dozentin bezeichnete sich selbst kürzlich als "verbildet".
Ich fand das sehr bezeichnend.
Grüße!
l.

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