Freitag, 15. Juni 2007

vorm rechner

dieser augenblick kurz vorher, … zwischen schweben und fallen … dieser augenblick, dieser splitter, den der sekundenzeiger abschlägt, dieser moment, wenn die geräusche plötzlich durchscheinend werden, dieser augenblick, wo die schlacke plötzlich über die augen rieselt … wenn die fingerspitzen ertauben und die zunge sich in einen merkwürdigen winkel des gaumens eingerollt hat, dieser augenblick, wo jemand spricht, wo jemand bereits gesprochen hat, wo jemand etwas eindringliches schon gesprochen hat, dieser augenblick der stille danach, wo plötzlich alles ganz nah ist, dieser augenblick, wo die haut riesig sich aufwellt, wo plötzlich ein bein bis in den hof hinabreicht, während jemand in der tür steht, während jemand in der wand steht, in der wand, aus der wand, ein wort sich aus der wand löst und tropft, tropft, tropft, ein dicker strom, während ein wortstrom aus einem einzigen großen– …, ein wortbrei, eine klangwolke, eine zähe pechige wolke aus trägem wort, … während die wände von einem wort verbogen sind, und der raum sich ausschütten will vor lachen, über ein wort, über ein totes wort … tot wie holz … und die beine in den teppich hineinwurzeln, und die finger sich in eine spinne verwandeln, die davonkrabbelt ohne vom fleck zu kommen, und der atem flacher wird, während jetzt, plötzlich, über der blankweißen wand, ein schnappen auffährt, während ein gewaltiges brüllen ganz ganz leise wird, zwischen daumen und zeigefinger, das anreißen eines streichholzes, ein herzschlag, ein atemzug, ein speichelfaden, der wieder zurückführt zum anfang, der wieder zurückführt zum wort, das wieder zurückführt zur enter-taste, die wieder zurückführt in den augenblick vor dem augenblick, da man mit dem kopf auf der tastatur aufschlägt.






Thomas (Gast) - 15. Jun, 13:57

Eine ganze Menge " wo's ", nicht?
Eine Frage an den Linguisten: Ist es semantisch richtig, ein Interrogativpronomen als Relativpronomen zu nutzen?
Ich weiß, dieser Umstand bürgert sich zunehmend in allen Gazetten und schriftlichen Medien ein, obwohl er doch nur aus dem arg verkommenen Sprachgebrauch inlinguistischer Hirne stammt.
Oder gehe ich hier gänzlich fehl?

Talakallea Thymon - 15. Jun, 17:29

den linguisten interessiert nur das, was die sprecher wirklich sagen; was sie sagen sollen ist keine wissenschaftliche frage. allenfalls möchte der linguist wissen, unter welchen sozialen rahmenbedingungen die sprecher was wie sagen. also bemüht er sich um eine korrekte beschreibung der sozialen sprachnormen, die in einer sprechergemeinschaft herrschen (beispielsweise die frage, von wem sprachliche trends ausgehen, was die standardsprache ausmacht, wie die sprachliche macht ausübenden sprachwandel zu kontrollieren versuchen, welche register man unterscheiden kann etc.). "richtig" oder "falsch" gibt es in der linguistik nicht, nur grammatisch und ungrammatisch, was etwas ganz anderes ist.
ich selbst bin nicht bereit, mich irgendeinem sprachlichen diktat zu beugen, oder irgendeine wertung vorzunehmen, außer: die meinem eigenen geschmack. in diesem vereinen sich aber konservative mit modernen elementen. beispielsweise mag ich flexion, also bemühe ich mich um den genitiv, wo immer es geht und flektiere ein starkes verb immer stark, auch wo es eine schwache alternative gibt, etwa buk vs. backte. ähnliches gilt für den konjunktiv. auf der anderen seite finde ich die fügung aus präposition + relativpronomen, ächz, etwas schwerfällig, vor allem, wenn sie sich häufen, wie in meiner parallelistischen konstruktion. da ist wo einfach schlanker, wendiger, eleganter. und da ich nun nicht aus prinzip sprachkonservativ bin, spricht für mich nichts dagegen.
die krätze kriege ich nur bei zwei sprachlichen erscheinungen, na ja, eigentlich drei: 1) leere phrasen, 2) deren wiederholung, 3) manirierter variationismus (die domstadt, die karnevalshochburg, die 4711-stadt für "köln", der leimerner für "Boris Becker" etc.)

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