Werke & Tage

Mittwoch, 31. Dezember 2008

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Als sammele die Zeit etwas an, so ist alles Vorbereitung, ein selbstvergessen staunendes Verharren, das diesen Ort heiligt, gelassen und still bis in die Kammern und Gänge der Minuten hinein, deren Verfließen, langsamer als sonst, den Strom der Zeit selbst farbig werden läßt. Fühlbar wird er, dieser Strom: als Zug in der Haut, als Druck hinter der Stirn, als befreiter Atemgang. Zeit, so jubelt es, endlich ist Zeit, endlich findet sie statt.
Wir machen dies noch und das noch, dann sind wir fertig. Dieses Fenster noch putzen, diese Unterschrift noch leisten, diesen Gang noch tun. Die Tür zufallen lassen. Abschließen. Dann aufatmen. Nichts hat Zeit, außer allem. Zeit, dieser knappe Stoff, ist im Überfluß vorhanden. Der Himmel wie eine Karte für Zugvögel. Immer noch finden sich Hagebutten, blaut es aus Strauchdraht heraus. Immer noch schweben Segel auf dem Meer.
Es ist wie in einem Traum, wo alles stillsteht, indes die Bewegung im Stillstehen weiterläuft und weiter, die Flächen und Kanten der Häuser, die Straße mit ihrer Staubbahn, Schattenfall der Pfähle, Flüsse unter den Leuchttürmen der Pappeln, die Verästelungen der Baumgerippe, zwischen denen die Sonnenstrahlen sich spannen, die vereisten Brunnen, die nichts zum Sprühen haben als das Licht auf den Kristallen erstarrter Bögen, endlich die eigenen Stiefelspitzen -- alles ist Bewegung, steht still, bis man wieder wegsieht. Oder anders herum? Die Sohlen hart von Geröll, die Nase müde von Staub, läßt, was kommt, schimmernde Türme aufwachsen.

Sonntag, 21. Dezember 2008

Solstitium hiemale

Nein, ich werde nirgendwo anders hingehen.

Ich werde hierbleiben.

Ich werde nicht
in einen anderen Teich hüpfen. Ich werde
nicht denken, daß es anderswo schöner ist, nur
weil es anderswo ist, ich werde
hierbleiben, ich werde

mich nicht verwandeln, ich werde höchstens
älter
weiser
wütender

werden, nein, ich werde nirgendwo anders hingehen.

Ich werde hiersein,
in diesem Wald
in diesem Tümpel.


Ich werde mich nicht verwandeln. Ich bleibe
ein Faun,
ein Frosch
ein Urweltfisch, ich werde

keine andere Sprache sprechen, als die
meine Ammen mir gaben, ich werde

hierbleiben.
Hier, wo ich immer war,
wo der Tümpel tief
und das Wasser still ist.

Ich werde hiersein,
dieser Faun,
dieser Frosch
dieser Urweltfisch,

den silbernen Spinnen
Gefährte und Hüter
und den Olmen und Salamandern,

hier, wo die Wege
beginnen, will ich bleiben und auf euch warten und,
wenn ihr zurückkommt,
euch euren ersten Namen wiedernennen
und euch eure eigenen Geschichten zurückerzählen,
die ihr vergessen habt.

Ich werde hiersein in
der längsten Nacht und
die Geheimnisse wahren,
ein greiser Faun,
ein alter Frosch

In diesem Wald,
in diesem Tümpel.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Ein Lichtlein brennt

Auf dem Athener Syntagma-Platz brennt schon der Weihnachtsbaum.

Das Bild zeigt den Weihnachtsbaum auf dem Athener Syntagma-Platz in Flammen. Der Griechische Text lautet: Die Polizei zeigt sich nicht. Land ohne Regierung und In der Gewalt der Vermummten.
Rechts darunter ist zu lesen: In Panik hebt die Regierung die Hände (= ergibt sich)

(Quelle: Tageszeitung Ta Nea)

Mittwoch, 5. November 2008

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bei uns in der straße ist gerade Martinsumzug.
das ist sehr schön anzusehen, und macht mir umso mehr freude, als es mein namenspatron ist, der da gefeiert wird -- aber, so gerne ich die auf und ab wippenden lampione, laternen, lämpchen sehe, so sehr es mich auch freut, mit wieviel ernst die kleinen dabei sind, so sehr ich es mag, wie sie alle mit ihren lichtlein stolz vor sich in der hand dahertrippeln: lieber wärs mir, es würde auch am 11. stattfinden und nicht irgendwann ungefähr dann. ich meine, heiligabend ist auch am 24. und die fronleichnamsprozession ist an fronleichnam und nicht irgendwann um die drehe. ich weiß ja auch, daß man dem rheinländer am 11. november mit st. martin nicht kommen kann. nur finde ich, da stimmt der vorrang nicht.
aber nun gut. schön anzusehen war es. und gepfiffen und gepaukt und posaunt wurde auch schön laut und
schräg.

Samstag, 1. November 2008

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Als dürfte die Zeit nun endlich ausruhen, so still, selbst
die Blätter, sie fallen nicht mehr, sie schweben, wenn
eine frühe Sonne sie anstößt.
Mit den Adern ziehen sie den Glanz
aus der Luft, alles Luftige an ihr ziehen sie heraus, bis alles an Farbe verstummt und
an den Felsenfinsternissen zugrundegeht.
Meterhoch steht die Dunkelheit
zwischen Pfahl und Pfahl der Laternen, Mehlbeeren hängen in ihrem Flor aus Schatten, der Weg vom einen
zum anderen Ende der Hecke so lang wie
ein Nachmittag still wird, den die Glocken erfanden, jedes Geräusch brächte die Beeren
zum Platzen, das Gleichgewicht der Schwäne
zum Sturz. Sprühlicht, unter den Zweigen schwimmt schon der Himmel
davon, die Ferne schlägt an die Scheiben,
drüben, am Park atmen die Fenster ihr Innen aus.

Montag, 6. Oktober 2008

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Die Studenten von heute -- So jung war ich nicht einmal, als ich in dem Alter war.

Montag, 29. September 2008

unausgeschlafen

Auch so ein Ärger: All die Zeitgenossen, die morgens um sechs ihre Freude darüber, daß endlich wieder ein Arbeitstag begonnen hat, nicht für sich behalten können.

Freitag, 12. September 2008

Endlich!

„Πιστή στον επταετή κύκλο της, η Ζυράννα Ζατέλη έχει σχεδόν έτοιμο (640 από τις 680 συνολικά σελίδες) το νέο της μυθιστόρημα Το πάθος χιλιάδες φορές που αποτελεί τον δεύτερο τόμο της τριλογίας Με το παράξενο όνομα Ραμάνθις Ερέβους. Ο πρώτος τόμος, με τίτλο Ο θάνατος ήρθε τελευταίος, είχε κυκλοφορήσει τα Χριστούγεννα του 2001. Δουλεύοντας αυτόν τον καιρό σκληρά, στις διορθώσεις και στα δοκίμια του καινούργιου μυθιστορήματός της, η Ζυράννα («la Zyranna nationale», όπως την είχε αποκαλέσει η εφημερίδα Le Monde) δεν διστάζει να δηλώσει ότι αυτό το βιβλίο «είναι το πιο ζόρικο και το πιο απολαυστικό παιδί» της. Εχοντας δει μερικές σελίδες, νομίζω ότι είναι το πιο γερό βιβλίο της. Ξαναβρίσκουμε εδώ, με ανυπομονησία μετά την αναμονή των επτά χρόνων, τον κόσμο της Ζυράννας Ζατέλη, ένα μοναδικό σύμπαν που το στοιχειοθετούν αλλόκοτες ιστορίες και το κατοικούν η γλώσσα, η φύση και ζώα με ανθρώπινες ιδιότητες. Αλλωστε στο σπίτι της περιοχής του Μακρυγιάννη όπου κατοικεί η Ζυράννα μαζί με τις γάτες της Σέρκα (από το όνομα ήρωά της) και Ζαΐρα αναρωτιέται κανείς ποιος φιλοξενεί ποιον: η Ζυράννα τις γάτες ή οι γάτες τη Ζυράννα; „


„Ihrem Siebenjahreszyklus getreu hat Siranna Sateli ihren neuen Roman Το πάθος χιλιάδες φορές (Die Leidenschaft tausend Mal), zweiter Teil der Trilogie Με το παράξενο όνομα Ραμάνθις Ερέβους, Mit dem seltsamen Namen Ramanthis Erebus), fast fertig (640 von insgesamt 680 Seiten). Der erste Teil (Ο θάνατος ήρθε τελευταίος, Der Tod kam zuletzt) erschien Weihnachten 2001. Derzeit arbeitet die von der Zeitung Le Monde „La Zyranna nationale“ genannte Schriftstellerin hart an den Korrekturen ihres neuesten Romans und erklärt ohne zu zögern, dies sei ihr anstrengendstes und zugleich genußvollstes Kind. Nach der Lektüre mehrerer Seiten glaube ich, daß es ihr stärkstes Buch ist. Gespannt nach der siebenjährigen Wartezeit findet man darin die Welt Siranna Satelis wieder, ein einzigartiges Weltall, in dem es von seltsamen Geschichten spukt, und das von der Sprache, von der Natur und von Tieren mit menschlichen Eigenschaften bevölkert wird. Übrigens fragt man sich ja, wer wen beherbergt in jenem Haus im Makrygiannis-Viertel, wo Siranna Sateli mit ihren Katzen Serka (nach einer ihrer Romanfiguren) und Zaira wohnt: Sateli die Katzen oder die Katzen Sateli?“

Heißt es in der Ausgabe von To Bema (TO BHMA) vom vergangenen Sonntag (7.9.2008) in einer Kurzmitteilung.

Montag, 8. September 2008

So nicht

So geht es nicht.

Ich weiß nur, daß es so nicht geht. Nicht gut-, nicht los-, nicht weiter-. Seit Monaten sitze ich in einer quälend engen Kiste, versuche, eine Haltung einzunehmen, die nicht peinigend unbequem ist. Wie ich mich drehe und wende: Grenzen, Grenzen, Grenzen. Druckstellen an allen Orten, vorzüglich aber an den gestauchten Flügelspitzen. Mein Lebensplan, meine Lebensverfassung, nicht lebbar? Grimmiger Starrsinn wechselt mit sturztiefer Hoffnungslosigkeit. Zumal es um Grundlegendes geht, um Unentbehrliches, Wohnen, Essen, Schlafen. Geld, immer wieder Geld, das verhaßte Medium, worüber auch nur eine Minute nachgedacht zu haben eine verschwendete Minute ist, in meinen Augen.
Hoffnungslosigkeit: Weder Brief noch Siegel hab ich, nichts kann ich richtig, auskennen tu ich mich noch weniger, meine Ellenbogen sind schmal und weich, weil ich sie zum Nachdenken allzuoft aufs Knie gesâtzt hab. Ich weiß gleichwohl nichts, jedenfalls nichts, was hier gebraucht wird (so die ätzende Übereinkunft aller).
Der grimmige Starrsinn: Andere haben’s auch geschafft, arbeiten nur ein halbes Jahr, wohnen in Holz und Wald oder Baum, haben die Gewißheit, abends in die Stille einer geographielosen Nacht niederzufallen, sitzen vorm Ofen und sind glücklich ohne elektrisches Licht.
Ich kann Latein und Griechisch und verstehe mich aufs Einpacken von Seifenblasen, sowie auf den schwindelnden Bau von Luftschlössern, Windburgen und Wolkenkuckucksheimen. Denke Wege ins Weglose, erfinde Wörter für Farben, die es nicht gibt und lausche dem Wind seine Geheimnisse ab, großohrig. Gebe auch gerne ambigue Prophezeihungen für zukünftig scheiternde Feldherrn. Jemand eine Beschäftigung für mich? Ein Mäzen? Ein Luftschloßritter, der seinen Töchtern Horaz nehebringen will? Ein Grenzflußüberschreiter? Ein Wolkenkuckucksheimbauherr?
Es bleibt: Den Gürtel enger schnallen, den Kopf in den Wind stecken und einfach nicht akzeptieren wollen, daß die selbstverständlichen Dinge heute unbezahlbar sein sollen.

Dienstag, 12. August 2008

Geschichten, wie sie das Leben schreibt

Ich habe nie begriffen, was an geschichten gut sein soll, „wie das leben sie schreibt“. soweit ich weiß, schreibt das leben vor allem banale geschichten, solche, die kein verleger drucken würde. nehmen wir beispielsweise das ende einer der letzten diktaturen europas, das land spielt keine rolle, da gab es eine friedliche umwälzung, der regierungspalast wurde von einer fröhlichen menschenmenge gestürmt, der regierungschef war damit faktisch abgesetzt; niemand griff ein, das militär nicht, die polizei nicht, kein schuß fiel, niemand kam zu schaden, und als die bürger sich stunden später verblüfft die augen rieben, war eine regierung, ein system und eine ära zu ende. so weit so gut. aber jetzt kommt das wahrhaft schöne, das, was dieses ereignis zu einer geschichte macht, oder gemacht hätte, wenn es wahr wäre: es hieß nämlich bereits wenige stunden später, die bewegung der am fuß der treppe wogenden menge die stufen hinauf und ins innere des palastes hinein sei durch ein kleines kind ausgelöst worden, das sich aus der hand seines vaters befreit hatte und, die kühnheit seiner schritte nicht ahnend, die stufen erklommen habe, so daß der vater ihm nachgesprungen sei; und dieser bewegung hätten sich sogleich einige und schließlich viele spontan angeschlossen, bis im schneeballeffekt der palast regelrecht gestürmt worden sei.
eine schöne geschichte, wie gesagt, wenn sie wahr wäre. denn nicht das leben hatte sie geschrieben, sondern irgendein nach geschichten hungernder geist (der sich vielleicht an eine schlange und ein blankgezogenes, in der sonne blitzendes schwert erinnert hatte); jedenfalls konnte sie so nicht bestätigt werden. so schön ist das leben nun einmal nicht, und deshalb, warum sonst, braucht es geschichten, als entwurf einer wahreren welt. und das schöne ist: diese innere wahrheit kann niemals angezweifelt werden. vielleicht hat es das kind auf den treppenstufen des palastes gegeben, vielleicht nicht. daß aber die schlacht zwischen Artus und Mordred durch ein leichtfertig gezogenes eisen ausgelöst wird, oder daß Philemon und Baucis in bäume verwandelt werden, ist unbezweifelbar „wahr“. indessen wäre aber eine geschichte, in der der böse wolf von rotkäppchen geküßt und in einen schönen prinzen verwandelt wird, nicht „falsch“ (in welchem sinne denn auch?). man könnte nicht ausrufen, „das stimmt doch gar nicht!“, höchstens „die geschichte geht anders“, was nicht dasselbe ist. insofern ist jede geschichte wahr, sobald sie erzählt wird. deshalb ist, auf ihre weise, auch die geschichte vom kind auf den stufen des regierungspalastes wahr, dann nämlich, wenn man sich die geschichte vom kind auf den stufen des regierungspalastes erzählt; sie ist so wahr, wie es eben nur eine geschichte sein kann. nicht eine, wie das leben sie schrieb. sondern wie man sie sich manchmal für das leben wünscht.



VOCES INTIMAE

... for we have some flax-golden tales to spin. come in! come in!

Kommt herein, hier sind auch Götter ...

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