Werke & Tage

Donnerstag, 1. Februar 2007

RAF

ich kann sie verstehen, diese menschen. mir möchte auch manchmal die hand ausrutschen; oder es juckt mich, ein paar autoreifen aufzustechen; ein paar antennen abzubrechen; eine autobahn zu blockieren; ein paar steine zu werfen; reihenweise werbeplakate herunterzureißen. warum? aus neid? nein: weil ich mich in meinen elementarsten bedürfnissen tagtäglich beschnitten fühle.

natürlich ist das etwas anderes als auf menschen zu schießen. daß das einer wirklich tut: das verstehe ich nicht. aber den haß und die wut, die ihn treibt, die habe ich auch in mir.

Freitag, 26. Januar 2007

Lagrange

festgefahren, toter punkt, beim schreiben, beim nicht-schreiben, beim denken gewiß, vielleicht sogar beim träumen. ich kann nicht zwei worte denken, ohne daß sich sofort das gefühl einstellt: da warst du schon einmal. mentales wiederkäuen könnte man es nennen, nur heraus kommt dabei selten etwas. nur wiedergekäutes, das nicht unbedingt, kaut man es länger wieder, besser wird. ich strampele und ziehe und zerre, aber es ist immer das gleiche lied: voraussagbares, neu geordnetes material, tabellarisches.
diesmal hab ich’s, diesmal hab ich’s, diesmal entkomme ich, dachte der hamster im laufrad.





Donnerstag, 25. Januar 2007

kulissen, plakate

es bleiben immer dieselben bilder und sehnsüchte, was man auf der reise sich vorstellte, ein glück, ein warmer raum, wird sich entziehen. du läufst durch den wald und freust dich einen langen tag, aber die heimkehr ist nie so, wie du sie dir vorgestellt hast. du siehst dich selbst, wie man aus dem dunklen frost hineinspäht in den lichtkreis einer lampe, in der menschen sitzen mit ruhigem antlitz, daheim und bei sich: so einer möchtest du werden, da willst du hin. in-remscheid-ende-06-004oder vornübergebeugt über eine kladde, ein heft, eine tastatur, du selbst, in heilige gedanken verheddert, glühend und doch ruhig, ab und zu gelassen und deiner einfälle sicher, nach der kaffeetasse greifend. ein bild bleibt es, und nichts daran ist wesentlich, sowieso nicht. es ist die vorstellung eines selbst, dessen wesen zurücktritt vor einer kulisse, einem plakat. ich sah einen bekannten seine abschlußarbeit schreiben. das sah gemütlich aus, lebensvoll, schwierig, ohne quälend zu sein. das war schön. so müßte es doch gehen, dachte ich. so ähnlich ergeht es einem manchmal, wenn man einen schreibwarenladen betritt. die sauberen kladden, verheißungsvoll in ihrer erwartung, die leeren seiten mögen gefüllt werden, das schreibgerät, so klar und sauber und leicht zu handhaben wie ein endlich geglückter gedanke, den man, bemächtigte man sich nur dieses füllers, zwangsläufig haben wird. es ist derselbe irrtum wie der, den einer begeht, der sich mit dem neuen mantel, dem hemd, den schuhen eine persönlichkeit, ein ich anzuziehen meint.
aber kamst du nicht irgendeinmal so nach hause, wie du jetzt es dir erträumst? feldweg-effekte-009du erinnerst dich: da war es so. da auch. du ziehst den mantel über, schnürst die schuhe, wirfst brot und käse in den rucksack. aber den weg, den du so oft gegangen bist, hast du nur einmal gefunden. die wälder sind eine kulisse, die die erinnerungen ausstellt.
die lampe überm tisch ist es auch.





Freitag, 19. Januar 2007

... ein stückchen weit.

ein wetter bei dem die finger in minuten klamm werden und schokolade im mund nicht schmilzt. die wege schmatzen den schritten nach, in den tümpeln schillert es wie von öl, rabenkrähen sinken naßschwer auf ein feld. an den wegekreuzen, auf den bögen der hügel, unter manchem heckensaum hockt der wind und wartet darauf, loszubrechen. bricht los, aus gesammelter ferne, zieht an den ohren, wühlt in den taschen, bläst die blicke über den hügelkamm davon, dann verjault er um eine häuserecke und ist fort. die wipfel schwingen ihm nach. nachtgeister, die sich versteckt halten, kosten ein bißchen vom sturm. der wald nährt ihnen ihre dürren hoffnungen. der rotz läuft aus der nase, die stimme am gaumen verklemmt, was ich sagen wollte, verschluckt sich am wind. wie zwei muschelschalen sind die steifen hände ineinandergeschmiegt.
später abblätternde farbe auf einem holzzaun. säume, ränder, verschwiegenheiten. und bemoostes kinderspielzeug: eine schubkarre, ein sandförmchen, eine schippe mit gespaltenem blatt. darüber eine blumenampel, ein buntbemalter briefkasten, eine fensterbank. hier möchte ich einmal mit dir sitzen, eine warme hauswand im rücken, eine decke gegen die abendkühle über den beinen, die füße im kühlen gras, die alterfleckigen hände ineinandergeschmiegt. es soll dann alles so sein, wie es immer war, seit jetzt. ein lichtflaum liegt auf den brombeeren und brennesseln, der wald schickt seinen schatten aus, die amsel flötet nahebei, und es ist herbst, oder abend.
wie vergnügt wir laufen durch die ecken und winkel der böen. unsere hände sind voll angst und hingabe, und auf den straßen rollt die zukunft heran.





Montag, 15. Januar 2007

Mein persönliches literarisches 2006

Buchbegleiter des vergangenen Jahres. In ungefährer chronologischer Folge (aufsteigend), mit Überschneidungen. Selten liegt nur ein Buch bei mir vor dem Bett, auf dem Eßtisch, im Rucksack, auf der Toilette. Anmerkung: „*“ bedeutet „abgebrochen“ oder „unterbrochen“; „!“ bedeutet „in Bearbeitung“
  • Der Schatten des Windes (Zafón)
  • Δύο φορές Έλληνας (Κουμανταρέας)
  • Onkel Wolfram (Sacks)
  • The Blind Watchmaker (Dawkins)
  • Der Sieger (Zuławski)
  • *Die alte Erde (Zuławski)
  • Bluebeard (Vonnegut)
  • Meine Reisen mit Herodot
  • *Lady Chatterley’s Lover (Lawrence)
  • *Plexus (Miller)
  • Die Suche nach der verlorenen Zeit (2) (Proust)
  • Life of Pi (Martel)
  • *Z (Βασιλικός)
  • Nachtzug nach Lissabon (Pascal Mercier alias Peter Bieri)
  • *Eine Kindheit in der Provence (Pagnol)
  • 52 Wanderungen (Hohler)
  • The Hard-Boiled Wonderland and the End of the World (Murakami)
  • Down Under (Bryson)
  • Robinson (Meijsing)
  • *Der Neandertaler (Kuckenburg)
  • *Australiens Aborigines. Ende der Traumzeit? (Supp)
  • The Biographer’s Tale (Byatt)
  • Η μπλε ώρα (Χειμονάς)
  • *Shangri-La (Michael MacRae)
  • *Mein Weg durch Himmel und Höllen (David-Néel)
  • Das Mädchen, das vom Himmel fiel (Peper)
  • Ein Schwarm Regenbrachvögel (’T Haart)
  • Kafka on the Shore (Murakami)
  • *Die letzte Flöße (Ekmann)
  • !The Glass Palace (Ghosh) (angefangen)
  • Blogs. Literarische Aspekte eines neuen Mediums (Ainetter)
  • The Curious Incident of the Dog in the Nighttime (Haddon)
Zwischendurch immer mal wieder:
  • The Variety of Life (Colin Tudge)
  • O άγγελος της στάχτης (Λαμπαδαρίδου-Πόθου)
Aus verschiedenen Büchern informiert über:
  • Mongolei
  • Transsibirische Eisenbahn
  • Zentralasien
  • Aborigines
  • Ökosysteme Feldflur/Wald/Siedlungsraum
Wissenschaftlich
  • Ovid, Metamorphosen
  • Geschichte der griechischen Literatur (quer)
  • Herodot, Historiae Buch I
  • Vergil, Aeneis, II
  • Cicero, Tusculanae Disputationes (quer)
  • Einführung in die Erzähltheorie (Fludernik) (quer)
  • Auctor & Actor (J. J. Winkler) (quer)
  • Eurypides, Medea
  • Apuleius, Asinus Aureus (quer)
So verschieden, wie die Bücher, so verschieden die Situationen, deren Begleiter sie sind; und ebenso vielfältig die Gründe, wenn man die Lektüre abbricht. Nicht immer liegt es am Buch:Die letzten Flösse (sic!) habe ich sehr genossen, bis mich Referate und Hausarbeiten zwangen, die Lektüre zu unterbrechen; schließlich war die Leihfrist einschließlich Verlängerung endgültig abgelaufen, und ich mußte das Buch zurückgeben. Manchmal kann man ein Buch auch regelrecht aus den Augen verlieren. Dann ist es schwierig, nachträglich Gründe anzugeben, warum man es sinken ließ und nicht wiederaufnahm. In den Wirren des vergangenen Sommers müssen sich irgendwann auch die Buchliebschaften überlagert, überkreuzt, verwirrt und verschoben haben, so daß irgendwannMeine Kindheit in der Provence liegenblieb. Manchmal gehört auch ein Buch zu einer bestimmten Stimmung, in einen bestimmten außerliterarischen, dem Leseereignis zuträglichen, zum Leseereignis passenden, ja die Lesung erst komplettierenden, vervollkommnenden Zusammenhang: Bei derKindheit war dies ein Dreieck aus Schwimmbad, Eisdiele, Wiese vor dem Poppelsdorfer Schloß. Dann kam der Regen, das Freibad schloß, das Eis schmeckte nicht mehr, und ebenso wanderte das Buch wieder ins Regal. Also nächsten Sommer? Vielleicht. Aber vielleicht ist dann auch das Gefühl da, daß es nun zu spät sei. Dann wird dieser Lesestumpf für immer in den Sommer 2006 und seine Geschichten gehören. Alles andere wäre ein anagnostischer Fehltritt.
Daneben gibt es natürlich Bücher, die ganz einfach enttäuschen. Ich gebe es nicht gerne zu, aber irgendwann im letzten Viertel vonZ wurde es mir zu langweilig. Vielleicht habe ich auch einfach zuwenig (auf Griechisch) verstanden, um noch so viel Schwung zu haben, es zu Ende zu lesen. AuchLady Chatterley’s Lover vermochte mich irgendwann nicht mehr zu fesseln, obwohl die erotischen Schilderungen an Qualität ihresgleichen suchen, Hut ab! Definitiv unleserlich (weil wirr) warShangri La, ebenso wieDer Neandertaler. Die Studie über die soziale Situation der Aborigines Australiens erwies sich bei näherem Hinsehen als Dissertation und ebenso unattraktiv war sie auch verfaßt. Für so etwas ist mir meine Freizeit mittlerweile zu schade. Texte, die reine Information sind, muß ich schon so genug lesen.
Plexus von Henry Miller dagegen war mir irgendwann schlichtweg zu blöd.
Wenn ich mir nun diese Liste so ansehe, stelle ich fest: Zu wenig. Zu viele Abbrüche, die auf verschenkte Zeit hindeuten. Zu wenig Klassiker. Zu wenig Belletristik insgesamt. Keine Neuentdeckung.
Bleibt noch der Ausblick vom gegenwärtigen Standpunkt:The Glass Palace wird nachSchnee wiederaufgenommen. Kafka habe ich quasi versprochen zu lesen. Viel Non-Fiction steht auf dem Programm, Soziologie (Boltz), Philologie/Anthropologie (Winkler), Linguistisches (Matthews), Gesellschaftskritik (Grönemeyer), Geschichte (Bringmann), Exobiologie (Cohen). Was mich wirklich reizt: Mal wieder Magie, Turbulentsen, sprachliches Dunckelviolett & bunte Vyrbelstuerme. Aber gerade die sind selten zu finden. Weiß jemand was? Oder muß ich es selber schreiben?

Sonntag, 24. Dezember 2006

eine unscheinbare reise

eine schöne fahrt. langsam über den tiefen des flusses dahingeglitten. in die gewißheit gefahren. ins heute. der fluß rauchend hinter weidengewirr. drüben die weinreben, gekämmtes steigen. eine rabenkrähe hockt auf einer schlanken pappel. möwen sicheln über den strom. sanft neigt sich der zug gegen die schleife des stroms. ich bin immer noch am leben. herzschlag für herzschlag immernoch.
scharf gestanzt plötzlich die sonne über den abgeschatteten hängen, die sich gegen den himmel über ihnen aufzulösen scheinen. dann fällt wieder nebel. erst gegen mittag in Mainz klirrend kalter sonnenschein auf zügen und gleisen, knisternder zigarettenrauch, atemwölkchen tragen das licht fort, taubenschatten eilen zu füßen vorüber. hier schließlich in Mannheim ist es genauso. so hell. so ein sanftes licht überall, scharfe ecken, klare schatten. eisgeglitzer, das eine scholle eingefaßt hält. darüber viel ferne. ein hängen zwischen bangigkeit und freude, es hat wieder einen schweren unfall gegeben, hört man.





Dienstag, 19. Dezember 2006

Apuleius & sim.

Teil eins der dieswintrigen Ablenkung ist geschafft und trägt die Überschrift: Narratologische Untersuchungen zu den "Metamorphosen" des Apuleius". Ich habe mal wieder viel und viel zu flüssig über ein Thema geredet, von dem ich keine Ahnung habe. Herrlich. So sollte es öfter sein. Wenn nur nicht immer so viele Woche damit ins Land gingen, sich keine Ahnung anzulesen.

Zu guter letzt noch eine Klausur. Ich habe "erst spät" mit tardius wiedergegeben, sowie "über die Verfassung und Ordnung des Staates" mit de instituenda instruendaque re publica und frage mich, ob ich mich dereinst dessen schämen werde müssen.

Ach, egal. Ganz egal. Jetzt heißt es erst einmal Ferien, Vollbad, Frascati.

Nullam, Vare, sacra vite prius severis arborem ...



Greinstraße

aus der gedämpften weite hinter den fenstern die baumaschinen. in der helle das knisternden licht. vergessen, mich an die blätter zu erinnern, an ihren gelbstrahlenden tod. jetzt, am beginn der stille: wege waren hier und führten einen sommer zusammen. das denkt sich ganz leicht. es ist schön, es zu denken. über gras und nackte füße, zwischen kies und geröll. jetzt dröhnt ein horn. ein arbeiter ruft. die ritzen hocken lauernd, vor stimmen sprungbereit, und da ist niemand, zu dem ich weißtdunoch sagen könnte.





Freitag, 15. Dezember 2006

ad absurdum

das anhaltende gejammere über rückläufige geburtenzahlen wird tag für tag in den pendlerzügen ad absurdum geführt.

vom scheitern (1)

das wird einstweilen nirgendwohin führen, so viel sollte mir mittlerweile klargeworden sein. zwischen den koordinaten lebensglück, aufgabe, bewältigung, frist hänge ich nicht fest, sondern drehe mich im teufelskreis. die gedanken schnappen zu wie fallen. vexierbilder, zwickmühlen, karusell, geisterbahn. eins gibt sich dem anderen als lösung, die lösungen führen zur aufgabe, und am ende ist man wieder dort, wo man begonnen hat.
ernst machen birgt die gefahr des scheiterns; jeder kompromiß zielt darauf ab, ein solches scheitern zu vermeiden. netz und doppelter boden. ich habs ja gar nicht versucht. nein, ich wurde ja abgelenkt, hatte soviel um die ohren, mußte mich kümmern, war in aufgaben verstrickt, gab wichtigeres, kurz: es liegt gar nicht an mir.
also bin ich auch nicht gescheitert.

vor einigen tagen stand ich plötzlich allein im stockfinsteren hausflur, in einen seltenen augenblick der stille gehüllt. ich hatte aus der küche in mein zimmer gehen wollen und das licht im flur ausgemacht. unfähig, mich zurechtzufinden, wartete ich, bis sich meine augen an das dunkel gewöhnt hätten. umrisse erschienen. die dunkelheit bekam tiefe und raum. türrahmen und regal verdichteten sich zu linien und kreutzungen. unten trat die glastür als heller fleck auf die stufen, deren schatten sich langsam zur treppe zusammenfügten, bis der weg zur tür sichtbar war. ich wartete, bis ich alles klar erkennen konnte: die wände, die stufen, die tür. mit einemmal der gedanke. was wäre, wenn ich jetzt ginge? wenn ich jetzt die treppe hinunterstiege, die tür öffnete und hinausginge, so wie ich war, in pullover und hausschuhen? unterm mond, durch die straßen, in die dunkelheit hinaus? die tür fiele ins schloß, der schlüssel bliebe drin und weg wäre ich.
plötzlich schlug mein herz wie wild. ich holte tief atem. hier waren die stufen. unten war die tür. dahinter die welt. eine wilde furcht hatte mich gepackt, vor mir selbst, vor der freiheit, vor der möglichkeit, sich zu entscheiden. ja, was wäre, wenn ich jetzt losliefe? und plötzlich durchzuckte mich die gewißheit, daß ich es jetzt tun würde, jetzt sofort, im nächsten moment, halsüberkopf, gleich wäre ich auf und davon. es war nicht zu verhindern. ohne netz und doppelten boden.
meine füße regten sich nicht. die stille war keinen laut weitergerückt, das licht unverändert. draußen raschelte das laub wie von schritten.
der atem floß wieder, das herz schlug ruhiger. ich seufzte und schlich mich zurück in mein zimmer, siegreich und besiegt.




VOCES INTIMAE

... for we have some flax-golden tales to spin. come in! come in!

Kommt herein, hier sind auch Götter ...

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