Rätsel (3) (Oh Leuthold ...)
Iß, oh Leuthold, Trüffel.
tränke
lügenhafte Leute
mit Meth
phänotypischer
Wale!
eine andere frau, jahre später, welten entfernt, hieß Halkomelem, ein wort, das eine indianersprache aus der familie der Salisch-Sprachen bezeichnet. wir nahmen beide an einem seminar über diese sprachfamilie teil. sie saß mir gegenüber, hatte herrlich dicke rundungen und breite hände und duftete nach kamille. ich erinnere mich, daß sie lächelte, als sie mir kopien weiterreichte. einmal hatte ich gefehlt. das gab mir die gelegenheit, sie ein paar tage später, als ich ihr auf dem weg zur mensa begegnete, anzusprechen und mich nach dem verlauf der vergangenen sitzung zu erkundigen. ich erinnere mich, daß sie an jenem tag einen langen, dunklen mantel trug. sie war hinter einer eibenhecke aus einem winkel des weges erschienen, und ich hatte sie zuerst gesehen. sie ging langsam, besonnen, ruhig, vielleicht in gedanken. die hände hatte sie in den taschen. ihr haar glänzte rot. kamillenduft strömte von ihr aus. ihr blick ruhte sanft auf mir, so daß ich mir heute, wenn ich an die begenung denke, unruhig und zappelig und fast ein bißchen laut vorkomme. sie war älter als ich, viel weiter im studium, war hilfskraft und mit den dozenten auf du. während sie mir zuhörte, ging ihr blick halb über die starke brille. ich vergaß sofort wieder, was sie über das seminar berichtet hatte. wir lachten, glaube ich. ihr mund lächelte mit großen, weißen zähnen. da wurde sie für mich selbst zu einer indianerin, und das wort, das sich in meinem inneren ohr festgesetzt hatte, dieses schöne, geheimnisvolle, erdige Halkomelem, wurde von diesem tage an ein name für sie, ein kamillenüberströmter klang, der mit dem roten haar, der körperfülle, der wachheit dieser frau zusammenhing. oder vielleicht kein name, aber doch so etwas wie ein zu ihr gehörendes klangmal, ein lexikalisches totem. nie hätte ich es aussprechen wollen, geschweige denn sie so nennen. vielleicht läßt es sich am besten so sagen, daß ich sie als Halkomelem dachte, sie selbst, oder ihren anteil an unseren begegnungen. Aber auch alle bezugspunkte, die uns, sie und mich, über dieses seminar verknüpften, hatten in dieser eigenschaft etwas von Halkomelem an sich und atmeten etwas von diesem namen aus. und auch indianersprachen, merkwürdige syntax, ejektive, nursery tales oder die gepflogenheiten, die räume und das personal des instituts, wo sie sich als stätten der begegnung hergegeben hatten.
zuletzt aber würde der beginn dieser geschichte, wenn es eine geschichte gäbe, diesen namen tragen, würde die später vergangene farbe dieser ersten tage einmal so heißen, und das geheimnisvolle wurzelwerk des zufalls, der uns zueinander geführt hatte.
ich habe einmal – das ist lange her, aber ich erinnere mich dessen als eines bedeutenden teils der größeren geschichte, in die es eingeschlungen ist – ich habe einmal eine woche lang dem englischen wort elegy innerlich nachgelauscht. es wurde so etwas wie ein lexikalischer ohrwurm, und es überschrieb eine ganze reihe von gefühlen, die alle mit der bekanntschaft eines mädchens verbunden waren; in dieser begegnung hatte jenes wort eine rolle gespielt, so daß es sich der geschichte dieser begegnung, in deren mitte ich mich nun befand (oder hoffte mich zu befinden) als überschrift, als titel, als name herlieh. dabei war es ganz zufällig dieses wort, das mir blieb – es hätte jedes andere sein können, sofern es nicht ein allzu abgenutztes gewesen wäre – und es hatte für die geschichte, für ihren beginn, ihre entwicklung und ihre bedingungen, keinerlei bedeutung. monatelang war das gesicht dieses mädchens an den unmöglichsten stellen des schulhauses aufgetaucht und wieder verschwunden, bis ich es plötzlich in nächster nähe erblickte, in dem orchester, dem ich beigetreten war, eine reihe hinter mir, unter den oboen. ins nahe gerückt, wurde sie mensch, verdichtete sie sich zu einem bündel entzückender eigenschaften, die alle aus dieser herangerücktheit flossen. mit einem mal war sie jemand, der mich sah und von mir wußte. worte waren möglich, ein lächeln der wiedererkennung, ein nicken der begrüßung, ein gespräch: und es konnte nicht anders sein, daß ich mich in sie (oder in die nähe, in die sie gefallen war?) verliebte. wir probten damals ein sehr langsames, sehr ruhiges, gegen ende der zehnminütigen spieldauer sich dramatisch aufbäumendes stück von John Barnes Chance, das ich sehr liebte. Sein Titel: „Elegy“. mehr als die vielschichtigen, tragischen klänge des stücks blieb er mir haften, als wäre es der name des mädchens gewesen.
wörter die ich mag, nutzlose aggglomerate von klang, bedeutung, feldern, vernetzungen, tunneln und räumen, reiser, kuckuckslichtnelke, sturmlampe …
machmal blieb etwas aus Gelesenem hängen, ein ohrwurm, könnte man sagen, dessen melodie aus der abfolge der laute, vielleicht aus dem plan der zu ihrer realisierung erforderlichen zungen- und lippenbewegungen, dem rhythmus, der sich aus der dauer der laute und aus der betonung ergibt, und vielleicht auch dem verlauf der stimmhöhe ergibt. trollblume, atmen, gezweig. die bedeutung spielt für den ohrwurm keine rolle, denn wie jeder ohrwurm ist es eine insistierende erinnerungsschleife, die sich selbst immer wieder aufdrängt und zu ihrer inneren stummrealisierung aufruft. so sind worte wie melodiefragmente, klingende bögen, akkordverbindungen, motivische tonfolgen. und wie in der musik dem motiv oder sogar dem einzelnen akkord, so hängt auch diesen sprachohrwürmern (lexothelminthen) eine stimmung an, der hauch einer bestimmten welt, eines schmerzes, einer erwartung, einer hoffnung, verzweigt sich aus dem lexothelminth heraus eine kleine eigene welt. halkomelem, penetralia, nemus, amnis was bestimmt diese welt? nicht die bedeutung des wortes, das den lexothelminth ausmacht. auch nicht der klang, in dem er sich verfestigt hat. der klang oder der klangplan oder das abbild dieses klanges im innern ist nur seine realisierung, seine bedeutung ist zufällig. aber wörter haben nicht nur klang und bedeutung, sondern sie sind auch knotenpunkte in einem netz von beziehungen. zu anderen wörtern. zu grammatikalischen informationen wie kasus, präposition, konjugationsmuster. zu standardumgebungen, mit denen es zusammen eine kollokation, eine phraseologie bildet. aber auch, und das ist wesentlich für den lexothelminth: zu texten, in denen das wort vorkam; zu menschen, die es gebrauchten; und zu situationen, in denen es ausgesprochen wurde, groß war oder klein, laut oder leise, und auf die eine oder andere weise wirkung bewies.
wegeweis wohin und anstelle zeiger auf zweites und drittes gedeutet muß es, und gelesen an- und verkehrs- und auch stern- gibt es und ruf- und besetzt- ist es nichts ist aber ohne deuter an ihm zwingend nur der dritte und ob es eins ist oder nicht bleibt
eine offene frage
ist ein zeichen immer will es oder will der deuter oder wollte der zeichensetzer gegrabnes in stein und fels und rinde und vergänglich in sand wachs mit der taschenlampe in die luft mit rauch in den himmel rauch bedeutet feuer ist ein zeichen vielleicht eine spur wie der abdruck in feuchtem grund von wolf kaninchen tapir wombat spur und anzeiger und ursächliches verbundensein oder trommeln weitergetragen von nacht zu nacht gesänge von walen über hunderte von meilen pheromone der ameisen und falter zeichen gemalt mit der wärme des fingers auf den fröstelnden rücken der klang einer symphonie zeichen im bezeichnen erlöschend und
sprache
bilder vererbt von jahrhundert zu jahrhundert lilien kannen rosen kreuzesbäume gartentore zeichen von zeichen von zeichen höhere
ordnungen
und zukünfte in eingeweiden lebern sternen stürmen blättern verborgenes
walten
ist ausgeflocktes dunkel wenn du dich räusperst wackelt der mond manchmal flüstert es aus rohren und ein frosch im hals und finger flüstern manchmal auf haut und eine straßenecke sieht zu wie zweimal mantelkragen unter einer straßenlaterne die in ein anderes zimmer dringt wo gesichter einander unsichtbar auf dem harten teppich vorm bett flüsterzeichen geben wo eben hingesunken die leiber püffe und knüffe von okklusiven und vokalen auf wange und lippen und hals unterbrochen von küssen das flüstern bist du „du“ flüstert es, „du“ flüstern und im blinden der geruch deines speichels in kirchen wird oft, in manchen museen, und morgens um fünf im überlandbus vor der abfahrt wenn der motor noch stumm ist und die sitze knarzen knistern heißt flüstern anorganisch, haare können es, wenn alles sehr still ist im zimmer mit straßenlaterne und weizenfelder können es verwandte sind wispern das ins wortlose hineinreicht oder raspeln scharren und rascheln das können auch kleider beim abstreifen flüstern hat keine farbe nur graustufen flüstern ist der schatten der stimme flüstern trocknet schnell ein und verliert den geruch flüstern ist seine eigene beschreibung flüstern wäre durchsichtig, hielte man es ins licht flüstern können auch blätter und tüten vögel können es nicht der regen vielleicht