Werke & Tage
ich habe immer die erwartung, nach jahren der wanderung heim zu kommen und alles so vorzufinden, wie ich es verließ. es war gut so, als ich ging; warum sollte man etwas ändern, das gut war? also erwarte ich, hier den bäcker wiederzufinden, wo es meine lieblingsbrötchen gibt; dort den drogisten im weißen kittel, der immer das richtige lösungsmittel wußte und auch bilder entwickelte; hier die stadtbibliothek und gegenüber die kleine pizzeria mit dem wunderbaren pizzabrot, das es auf kosten des hauses vorneweg gab. hier die grundschule, dort der radioladen, wo man sich zartfühlend um eine aufgesprungene audiokassette bemühte und sie immerhin so zusammenleimte, daß ich sie wieder abspielen konnte; dort der apfelbaum in nachbars garten. hier der kanal, auf dem immer die schiffe schwermütig vorbeituckerten. so war es, es war gut, warum sollte es sich ändern?
der duft des sonnenschutzmittels, das eine kindheit lang den geruch von sommer, ferien, bergabenteuern oder mittelmeerschlauchbootpiraterien in sich barg, winters verschloß, sommers uns immer neu wiederschenkte: jahre war er gut genug, warum mußte man ihn ändern? mein lieblingsschampoo, was gab es daran auszusetzen, daß es aus den läden verschwand?
heute wollte ich in der zülpicher straße einen bremszug kaufen, in einem fahrradladen, den es, gleich am südbahnhof, die ganzen jahre meiner studienzeit dort gab; dort verkaufte man nicht nur fahrräder sondern auch ersatzteile und führte reparaturen durch.
jetzt gibt es dort einen „Mister Döner“. War es nicht gut, daß es den fahrradladen gab? wo gibt es den nächsten? war eine dönerbude, eine kette zumal, nötig in gesellschaft einer bäckerei, eines schickimickilaffeeladens, eines „subway“, einer eisdiele und einer kombinierten stehpizzeriaasiatakeaway? ganz zu schweigen, daß die gesamte zülpicher straße auf länge ungefähr eines kilometers kaum eine andere form des einzelhandels als resaurationsbetriebe aufzuweisen hat.
und der nächste fahrradladen?
von:
Talakallea Thymon - am: 20. Sep, 10:28 - in: Werke & Tage
... erhält man bei "google" oftmals mehr ergebnisse, wenn man suchtext zusätzlich ausschließt? weil es mehr seiten mit und ohne gibt als mit und mit? wie kann das sein? und wenn wir schon dabei sind: warum schlägt "google" eine korrektur des suchtextes vor, wenn dann keine seiten mit dem korrigierten text zu finden sind? erwähnenswert in diesem zusammenhang erscheint mir auch, was die amazon-datenbank vorschlägt, wenn man beispielsweise "bloody" "rome" und "history" eingibt:
"wir haben keine genauen ..." blablabla, und dann: "unten sehen sie die ergebnisse für "romeo".
das kommt davon, wenn man das denken maschinen überläßt.
von:
Talakallea Thymon - am: 6. Sep, 10:35 - in: Werke & Tage
bekommt man bei amazon keine intelligenten suchergebnisse? man versuche einmal, einen pflanzenführer zu finden, der die flora der alpen erschöpfend behandelt. ich halte für eine solche suche den suchtext "alpen" sowie "pflanzenführer" gar nicht so abwegig. allein, keine ergebnisse. wie man bei einem blick in die liste der ca. 700 naturführer (von schnorchelführer über mineralien bis hin zu barbiepuppen (sic!) ist alles da) sieht, gibt es aber bei amazon (mindestens: bei 300 habe ich die probe abgebrochen) fünf alpen-pflanzenführer. nur kommt bei denen weder in titel noch in untertitel "alpen" oder "pflanzenführer" vor, sondern die heißen "pflanzen der bergwelt", oder "Pareys Bergblumenbuch" oder "Die Alpen. Pflanzen und Tiere sicher bestimmen".
liebe amazon-redaktion, es gibt einen vorgang, bei dem man zu einem buch eine liste mit möglicherweise relevanten suchbegriffen erstellt. das nennt man "verschlagworten". sollten Sie keine bibliothekare beschäftigen, was wahrscheinlich ist, fragen Sie einfach mal in einer universitätsbibliothek nach, wie man das macht. die helfen ihnen sicher gerne weiter.
gott, hab ich schlechte laune heute.
von:
Talakallea Thymon - am: 6. Sep, 10:33 - in: Werke & Tage
zum beispiel autos. stünde es in meiner macht, ich würde jegliche private kraftfahrzeugnutzung untersagen. ich will eine welt, in der kraftfahrzeuge nur gelegentlich vorkommen. ich will diese dinger aus der welt haben und mit ihnen autobahnen, verkehrsampeln, parkplätze, gigantomanische supermärkte, parkhäuser und was der paraphernalia mehr sind.
nun gibt es zur stützung der these, daß eine autofreie welt die bessere welt ist, eine menge rationaler argumente, und die wenigen argumente dagegen lassen sich im allgemeinen leicht entkräften. aber das ist für mein wollen zweitrangig. ich habe diese ablehnung nicht, weil es die argumente gibt, sondern ich ziehe die argumente heran, weil ich diese meinung habe. zur bildung dieser meinung sind sie unerheblich gewesen. wenn ich also diskutiere, dann nur deshalb, weil ich predige, weil ich missioniere. das ist das fundamentalistische daran, deswegen bin ich fundamentalist. die wahrheit steht schon fest. aber um sie für jünger, die die offenbarung nicht erfahren haben, akzeptabel zu machen, braucht es vernunftsgründe.
so ziehe ich argumente nur heran, weil und wo sie mir in den kram passen. das heißt, ich benutze zufällig passende vernunftsgründe nur, um für bzw. gegen eine sache zu sprechen, die für mich jenseits aller vernunft, jenseits aller diskussionen längst entschieden ist, entschieden selbst für den fall, daß alle oder einige dieser argumente wirkungslos werden (etwa durch bessere technologien): selbst im falle das auto weder in produktion, noch in betrieb und entsorgung auch nur den geringste umweltschaden verursachte, selbst wenn es schon seit jahren keinen verkehrstoten mehr gegeben hätte, meine position der ablehnung bliebe dieselbe. ganz einfach, weil es mich stört. persönlich. weil ich es für ein symptom von großschnäuzigkeit, wichtigtuerei und anzugsheldentum halte. weil ich mich beschnitten und beengt fühle. weil es für mich ein symbol für eine ganze wirtschafts-, gesellschafts- und lebensordung ist. eine lebensordung, die ich aus ganzem herzen ablehne.
von:
Talakallea Thymon - am: 9. Aug, 11:07 - in: Werke & Tage
früher hielt ich toleranz für eine prima tugend. ihre grenzen, oder vielmehr die grenzen meiner eigenen toleranz sehe ich heute deutlicher. wie ich schon schrieb: ich habe begriffen, daß ich in gewissen dingen ein fundamentalist bin. das bedeutet, daß ich für mich eine absolute position einnehme, die mit argumenten nicht mehr erreichbar ist. daß es mir in gewissen dingen gar nicht mehr darum geht, mich zu einigen, weil ich die antwort auf die vorliegende frage schon festgelegt habe. ich sehe klarer, wann ich überhaupt nicht mehr argumentieren will, sondern nur noch durchsetzen, was meins ist.
dabei bin ich natürlich nicht so naiv wie der rest der fundamentalisten, die glauben, ihre wahrheit sei für alle die wahrheit, oder die dem anderen mit gewalt ihre wahrheiten aufzwingen wollen. nur: ich lasse mich nicht mehr überzeugen, weil ich diesen prozeß für mich abgeschlossen habe. (in den bereichen, in denen ich fundamentalist bin) was bedeutet, daß ich mich auf die kärglichen freiräume beschränke, in denen das meine absolute geltung haben darf. ich fliehe.
von:
Talakallea Thymon - am: 8. Aug, 11:11 - in: Werke & Tage
selbstentlarvung, unfreiwillig: sich informieren, wie man gegen fundamentalisten
argumentiert (ohne den verstand zu verlieren), und darüber die feststellung machen: man ist selber einer!
freilich auch schön: wenn ein erboster rezensent des buches genau einen derjenigen tricks anwendet, die der autor in seinem buch analysiert. und sich damit gleichfalls als fundamentalist mit fundamentalistischen argumentationsstrategien zu erkennen gibt.
von:
Talakallea Thymon - am: 2. Aug, 10:44 - in: Werke & Tage
die blitze zuckten, ohne der dunkelheit raum zu lassen, sich dazwischen niederzusenken; so lag man geblendet bis unter die geschlossenen Lider, und noch im niederfahren des richtungslosen lichts zerbrach schon der donner am himmel, jeder neue schlag noch ins verhallen des früheren hineinkeilend.
unruhe kam auf, sirenen heulten weit hinter dem regenrauschen. im nebenzimmer wurde ein stecker aus der dose gezogen. mühsam erhob auch ich mich, wankte schläfrig zum schreibtisch, nahm das notizbuch vom stromnetz.
später, nach dem wiedereinschlafen und wiedererwachen, finsterten tropfen in eine gewaltige stille hinein. ich wälze mich aus dem bett, fingere nach einem kugelschreiber, erahne mehr als ich sehe, wo die letzte reihe buchstaben endet und setze blind darunter: die die stille nicht vorrückten.
von:
Talakallea Thymon - am: 28. Jul, 11:20 - in: Werke & Tage
schreibt mir jemand auf meinen artikel, man habe es insgeheim schon geahnt, daß ich von diesen dingen keine ahnung hätte und es wahrscheinlich auch gar nicht wissen wolle; das könne man zwar tolerieren, es sei aber schwer vorstellbar.
es stimmt allerdings, es macht mir nichts aus, mehr noch: ich will es gar nicht wissen, ja, ich ärgere mich gar darüber, daß die information, wer Lance Armstrong ist, in meinem gehirn jetzt vielleicht den speicherplatz belegt, auf dem etwas für mich wissenswertes liegen könnte, das ich gleichwohl und zu meinem verdrusse nicht weiß, zum beispiel, welcher von beiden, Hektor oder Patroklos, Achills freund war. (ich glaube, es war Patroklos). Da kann man sehen, ich weiß sicherer, wer LA ist als wer Patroklos ist, ich weiß sogar das mit den siebenmaltourdefrance und die details über seine erkrankung, die ich noch viel weniger wissen will, und ich weiß es, obwohl ich nichts, aber gar nichts getan habe, diese informationen zu suchen, geschweige denn, sie mir zu merken. das macht mich rasend. irgendwer muß es mir ins hirn gehämmert haben, diese absolut nutzlose, irrelevante, ballasthafte wissen. und vergessen ist manchmal weit schwieriger als merken.
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Talakallea Thymon - am: 27. Jul, 11:22 - in: Werke & Tage
anfangs strudelte hitze um die beine und sprang aus dem kraut in die wege, sonnenlicht drang auf die stirnen und ermattete die lider, so ging man sparsam und leise, redete viel („hat wohnen einen imperativ?“ „warum tun sich so viele mit latein so schwer?“), aß himbeeren, die wie kleine geschmackssonnen über schattengesträuch schwebten, ließ sich endlich in baumesschatten nieder, still streckte sich der see, eingesunken in sein bett.
(haben seen betten?)
während jedoch schon am himmel sich einiges heimliches streuwolkiges beisammenfand zu grauweißem spiel. bevor es dort ernst wurde, gab es aber nach einigem auf und ab und grünen schatten und über allerlei pferdeäpfel hinweggeschritten, wiesen rechts und links, und immer mal wieder kalkweiß der stille stausee: bergische kaffeetafel.
gesättigt, verklebt von soviel kirsche und eis und zuckriger waffel, nahm man den weg wieder auf, verirrte sich auf der flucht vor der straße, sah pferde unter bremsenstichen leiden, ärgerte sich mal wieder über schokoladenpreise; dann, schon auf abwegen, tat man das einzig vernünftige, nahm denselben weg zurück, den man gekommen, und da hatte es schon zu nieseln begonnen.
viele pferdeäpfel später hatte sich das laubdach der buchen vollgesogen und der regen pladderte mittlerweile munter. das hemd klebte, plitschtropen trafen braue, nacken, ohr, glatze, der weg vermatschte, die pferdeäpfel fielen auseinander. die pferde freuten sich, denn das geschmeiß suchte schutz und war gar nicht mehr zum stechen aufgelegt.
„nicht so schnell, nicht so schnell“, tönte es hinter mir, doch der regen trieb die beinchen von alleine an in richtung parkplatz. am schluß noch brillenloses ausweichen grell aufleuchtend entgegenkommender fahrzeuge, denn zuletzt blieb nur die straße.
in köln deutz angekommen war man fast schon wieder trocken.
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Talakallea Thymon - am: 25. Jul, 11:26 - in: Werke & Tage
im wind, der gestern die fäuste ballte gegen baumeswiderstände, häuserzeilen und augenwimpern, wisperte es schon, wisperten schon die bekannten stimmen. noch ist alles sehr hell; wieder ist die zeit des verschlafenen lichts, des sturms. die städte haben sich gelehrt, die pflichten sind getan, die arbeit ruht, und mit ihr des sommers grelle und lauthalsigkeit. der letzte buchfink ist dem gedächtnis schon entschlüpft und hat die leichtigkeiten und sprühseligkeiten, das fruchtgedüft eines heranbrausenden sommers mitgenommen und eingetauscht gegen das grübeln eines stehenden. die linden haben die süße zusammengerollt und weggenußt, und nun bleibt: des sommers schwere, das schweigen des lichts und das reden des windes, die matten straßen und das warten auf ernte und frucht.
von:
Talakallea Thymon - am: 21. Jul, 11:40 - in: Werke & Tage