An habent et somnia pondus

Freitag, 20. März 2009

Liegen, wo man

Liegen, wo man der Sonne
beim Geschichtenerzählen zusehen
kann und wie
sie Zeile für Blütenzeile in
die Bäume schreibt.
Blüten am Himmel einsammeln, wo der Wind
Knospen treibt aus dem Zenith und
Adern senkt ins Wasserblau, indes die Vögel,
entlassene Gedankenkörper,
dahinschweben im Strom der Blicke.

Samstag, 14. März 2009

Seite 440

Ich weiß nicht, ob ich den Mut aufbringe, The Time Traveller's Wife weiterzulesen. Das passiert mir immer öfter, daß ich es nicht schaffe, weil mich eine geradezu animistische Angst befällt, als erschüfe ich das Schicksal der Figuren der Geschichte, indem ich sie lese. Schrecklich. Gleichzeitig schiebe ich ihr Schicksal, das ja feststeht (-- oder?) nur auf, indem ich das Buch nicht mehr anrühre. Ihr Schicksal erscheint mir umso trauriger, weil es ja wahr ist; auf jene entsetzliche, unausweichliche Weise wahr, wie es nur Geschichten sein können.

Donnerstag, 26. Februar 2009

Amseln

Sie sind früher als alles, was ist.
Sie waren schon immer vorher, ganz gleich, was als erstes kam. Sie waren.
Leuchtspuren in einem Sinnenraum, der weder dem Auge noch dem Ohr, noch irgendeinem Organ, das aus der schlafenden Mitte ins Dunkel hinauswächst, gehören. Sie waren vor allen Organen, vor jedem Blut. Tönernes Leuchten. Leuchtende Töne. Ertastbare Stimmen. Klang wie eine Zeichnung in Sand, Gesänge in Braille-Schrift.
Sie gehören zu einer anderen Zeit, die jedem Beginn vorausläuft. Langsam dem Anfang überlagert, werden sie irgendwann eins mit dem Hier, dem Jetzt, jedem denkbaren Später, wenn es erst denkbar ist. Unterm Fokus werden zwei Wege einer, ein Traum fällt in sich zusammen, ein Tuch zerreißt im Spiegel, und indem sich die Zeit entscheidet und in Vorher und Nachher zerfällt, erinnerst du dich, und die Stimmen nehmen sich selbst einen Namen.
Sie sind vor jedem Denken. Sie sind Erinnerung, die im Früheren von Späterem handelt, ihre eigene Zukunft. Wenn du sie hörst, zum erstenmal hörst, hast du sie schön gehört. Du hast sie gehört, bevor du sie hörtest. Wie lange? Seit du denken kannst.
Ein Klangbaum. Wie eine Eigenschaft des Dunkels selbst, Faltungen im Raum, ein knisternder Schleier, den eine Brise zu immer neuen, doch einander ähnlichen Klangkaskaden verreibt, bis jäher Augenaufschlag das Dunkel dem Dunkel zuschlägt und den Klang dem Klang, und die Stimmen sich aus der Weite der Straße heranschwingen müssen, nun fern und an ihrem Platz, wie alles.
Liegenbleiben, denkst du, liegenbleiben, bis der Eifer des Tages sie an sich nimmt und sie in den Bäumen verstummen.

Freitag, 5. September 2008

Sommerepigramme II, 9

Morgen für Morgen dasselbe Licht, als wär es ein Echo

frühster Geburt, die aufs neu Klang aus sich selber erschuf.





Mittwoch, 3. September 2008

Sommerepigramme II, 8 (Auf einer Wanderung)

Schenke mir immer den Anfang, das Tor, den Morgen, die Knospe.

Denken ist alles, und nichts wäre der wirkliche Kuß.

Schenke mir Aufbruch, nicht Ziel, die Frucht nicht, die Blüte mir schenke.

Schenk mir, was lebbar wär. Denkbar solls so immer sein.

Schönheit ist nur als ein Mögliches rein, als erste Entzündung,

Weg, der im Weg sich erschöpft, Hoffnung, die selbst sich genügt.

Dieses darfst du mir schenken, das Erste, das Zweite, das Nächste –

Letztes nur schenke mir nicht. Ende hieß solcher Beginn.





Freitag, 29. August 2008

Sommerepigramme II 8

Frauen wandelten oft an den Rändern trauriger Gärten,

wo jede Hüfte aus Stein schloß einen Pakt mit der Zeit.

Zwischen den Fingern ein Licht, so still, als spielte ein Wasser,

um ihre moosige Stirn, bis sie zu Laubwerk zerfiel.


Mittwoch, 9. Juli 2008

Sommerepigramm, II, 6

Zwischen Frühstem und Frühem wachsen den Stunden die Bilder:

Was die Haut nicht begriff, bleibt mir als Traumlicht zurück.





Mittwoch, 2. Juli 2008

Sommerepigramme II, 5

Barfuß, mit tropfenden Flechten, betratst du, Sommer, die Küche,

zogst einen Kreis mit dem Zeh, lachtest. Und warst eine Frau.

Dienstag, 1. Juli 2008

De Melancholia Panica

Gezielte Übermüdung, um mit der panischen Melancholie (also der Schwermut, die den Gott Pan manchmal befallen muß) fertig zu werden. Nach Mitternacht ins Bett, morgens um sechs raus. Kaffee trinken (vier satt gehäufte Teelöffel auf einen Becher, schwarz, etwas Zucker), schreiben, Radio hören, Amselgeflöte in sich sickern lassen. Nebenwirkung: Irgendwelche ermüdeten Synapsen, die sonst das freie Strömen von Syndesen und Syndyaden, numinoser Nebulae, fluider Phainomena, subtiler Sibilantia und anderer somnambuler Akrochoreographien verhindern, das Kurzschließen von gegensätzlichen Ufern blockieren und so alles in farbloser Voraussagbarkeit halten, diese Synapsen geben jetzt auf, so daß die Kobolde der Hirnrinde anfangen, loszugackern, Vergrabenes aus Klein- und Stammhirn an Oberflächen quillt, wo es sonst nix zu suchen hat, und ein Dauerfeuer über das Corpus Callosum hinweg einsetzt, daß es nur so knistert zwischen den Welthälften, mit anderen Worten: Genau. Denn das ist es schon. Andere Worte. Neues. Ungedacht-Gedachtes. Qietschendes, Reibendes, Funkelndes tritt ins Bewußtsein und ist plötzlich da, war es eigentlich schon immer.
Aber das, wie gesagt, ist Nebenwirkung.
Wer müde ist, denkt anders. Nicht für jedes Denken braucht es Konzentration, manchmal ist sie sogar hinderlich. Der Ausgeschlafene denkt in starren Bahnen, ihn lenken die abrufbereiten Erfahrungen und eingespielten Muster. Lenken ihn -- aber führen ihn auch leicht in die Irre, oder in einen Kreis. Der Wache empfindet aber auch die Schwermut stärker, sie betrifft ihn, sie fordert ihn heraus. Für den Ermüdeten ist sie erträglich, die Schwermut, sie ist da, aber sie will nichts. Bei Schlafentzug sind die Empfindungen verfeinert, aber insgesamt abgedämpft, heruntergefahren und weichgezeichnet, das Grobe und Scharfe geht einen nichts mehr an, alles wird erträglich. Kummer wird zu einem kosmischen Prinzip, an dem man nur wie zufällig teilhat. (Man könnte stolz darauf sein); Sehnsucht wird fast in Schönheit verwandelt; ein Verlust läßt sich literarisch zerdenken und mit Sinn behaften, matter Liebeskummer einfach wegwachen. Heimweh wird sanft und geschmeidig und in die Vorfreude der Heimkehr verwandelt.
So verwandelt sich auch die panische Schwermut, dieser träge, süßliche Sommernachmittagsschmerz, Baumharz, Zikaden, Feigen und Salz und schöne Frauen, das plötzliche Bewußtsein, an einem amoenen Orte zu sein, und dann kann man ihm nichts abgewinnen, an einem Ort, der so schön ist, daß ihm alles fehlt, was froh machen könnte, ein Ort, der gleißt und schmerzt. Da ist es ein Glück, übermüdet sein zu dürfen, und dieses wahrnehmende Selbst – das Selbst, das denkt, „dies ist ein schöner Ort“, den Sitz der Melancholie – einfach zu verdünnen und transparent zu machen durch eine Schläfrigkeit, die so genau ausgemessen ist, daß man gerade noch widersteht. Das mildert die Schärfe des Seins, glättet die Flächen, stumpft die Kanten ab und legt über die schroffen Tatsachen den leuchtenden Mantel des Tagtraums. Fast ein Glück, gerade noch bei Bewußtsein und noch nicht im Schlaf, ein Wandeln an der Grenzfläche, akrypnobatisch, nach beiden Richtungen blicken zu können, in beider Abgrund, des Wachens und des vergessenden Schlafs, und dazwischen zu fühlen nach den leuchtenden Wörtern.




Freitag, 13. Juni 2008

Sommerepigramme, II, 4

Regen, du warst der Anfang. Bevor noch ein Erstes sich höbe,

hattest du schon getönt. Wo aber Zeit wieder floß,

war alles früher. Ein jeglicher Blick, das Licht in den Gläsern,

jeder spätere Kuß. War schon und war doch noch nie.





VOCES INTIMAE

... for we have some flax-golden tales to spin. come in! come in!

Kommt herein, hier sind auch Götter ...

Epistolae electronicae:

talapenthea_thymon ad hotmail punctum com

Spurensucher

 

Web Counter-Modul


Marbach

Dieses Weblog wird durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach archiviert.

Metron ariston

Pflichtnennung


Als wären nicht zweimal die Kräfte
An habent et somnia pondus
Astartes Lächeln
Colourless green ideas
Daß alles für Freuden erwacht
Dem geschah auch Lieb durch Liebe nie
Die Stadt am Ende des Jahrtausends
egregie dicta
Fasti
Flaschenpost
hemerolog
In Nemore
Logolog
Ludus Latinus
Mores Ferarum
Nicht mit gar zu fauler Zungen
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren