Dienstag, 19. Februar 2008

Beim Laufen

Manchmal glaube ich, ich träume nur deshalb davon, ein preisgekrönter Erfolgsschriftsteller zu werden, um irgendwann einmal die Genugtuung, nein, den Triumph zu fühlen, den es mir verschaffen würde, einen hochdotierten Literaturpreis abzulehnen.

Dienstag, 12. Februar 2008

Episteln: An C. Von Kindern und Männern (2)

Das ganze Kinderkriegen ist für Männer eine beschämende Angelegenheit, weil es sie bei Vorgang und Folgen zu bloßen Wasserträgern und Handlangern, zu Zuarbeitern degradiert; und je eifriger sie sich bemühen, dem abzuhelfen und eine zentralere Rolle zu spielen, desto lächerlicher werden sie bei all dem.
Das ist mir Stück um Stück nach einer Beobachtung auf einem Kindersachenflohmarkt (frag nicht, wie ich dahinkam!) klargeworden. Eine kleine Szene, äußerlich unauffällig, ein junges Elternpaar, sie voranpirschend, er mit dem Säugling auf dem Arm hinterdreindackelnd. Sie bleiben vor einem Stand voller Babysachen stehen. Die junge Mutter beguckt sich die Ware und fragt die Verkäuferin nach einem „Motorik-Ring“. Die andere bedauert, einen solchen habe sie leider nicht anzubieten. „Ach, Schade.“ Und jetzt kommt’s: Im Weitergehen tätschelt die junge Mutter ihrem kaugummikauenden Gefährten wohlwollend den Arm: „Ich erklär dir später, was ein Motorik-Ring ist.“ Dreht sich um und zwinkert der Verkäuferin verständnisheischend zu. Und der junge Vater (ich vermute, es war der Vater) guckt dazu blöde aus der Wäsche.
Kann man nebensächlicher sein als in einer solchen Situation? Dieser bedauernswerte Mann war gerade mal dazu zu gebrauchen, das Kind zu tragen (in einer seltsamen Stellung übrigens, von hinten durch die Beine die Hand auf der Brust des Säuglings, ihn so in Bauchlage haltend, als wollte er mit ihm Schwimmen üben), weiß nicht einmal, was ein Motorik-Ring ist und mußte sich dann auch noch die Ankündigung späterer Aufklärung, zusammen mit einer öffentlichen Bloßstellung seiner Unbedarftheit gefallen lassen. Na ja, immerhin wußte er den Säugling nach den neuesten Erkenntnissen der Brephophorologie, (oder vielleicht auch nur der letzten Mode gemäß?) zu handhaben. Auf eine pfiffige, und ich möchte sagen, perfide Weise wird hier der Mann gleichzeitig ausgeschlossen und doch wieder so zurück ins Boot geholt, daß sich über seine Unwissenheit wohlwollend spotten läßt. Dabei zielt der Spott auf einen Mangel, den der zu Verpottende ja gerade in der Situation hat, in die er vorher durch den Spottenden hineingezwungen wurde. Man drücke einem, der nicht einmal auf dem Kamm blasen kann, eine Violine in die Hand und amüsiere sich hernach köstlich über seinen unbeholfenen Eifer. Haha. Du kannst zwar nicht spielen, aber zum Dummanstellen und Sichverarschenlassen reicht es immer.
Ich nun in einer solchen Rolle? Niemals. Nie könnte ich mich irgendwo, wo es drauf ankommt, mit einer Nebenrolle begnügen, und ich werde auch nie Männer verstehen, die ihre sogenannte Verantwortung darin sehen, diese Nebenrolle mit Freude und Enthusiasmus auszufüllen. „Ausfüllen“, ha, daß ich nicht lache. Nein, im Grunde, denke ich, sollte ein Mann die Finger von all dem lassen. Er spielt ja doch zweite Geige, da kann er Tritte-im-Bauch-tasten und bei-den-Wehen-Händchen-halten und wickeln und waschen und pudern und schnullern wie er will – am Ende dackelt er doch hinterdrein und muß sich dann noch über Motorik-Ringe belehren lassen.

Montag, 11. Februar 2008

nachtrag: immerhin

was sonst nach unglücken immer als erstes passiert, ist ausgeblieben: noch hat kein politiker, nur weil er das pech hatte, zur fraglichen zeit im amt zu sein, in dieser angelegenheit zurücktreten müssen.

Freitag, 8. Februar 2008

...

Ein Haus steht in Flammen, neun Menschen sterben. Na, und? möchte man mit der Schulter zucken. Zum Vergleich: im Jahr 2006 starben auf Deutschlands Straßen 5316 Menschen bei Unfällen. Das sind 14 Menschen täglich. Jeden Tag ein zweites Ludwigshafen. Wen kümmert’s? Es ist in den letzten Tagen so viel vom Mittrauern die Rede gewesen. Warum trauert keiner mit den 14 Verkehrstoten täglich mit? Die Wahrheit ist doch: Gestorben wird landauf landab, haufenweise in jeder Stunde, und wer da überall eine Betroffenheitsmiene ziehen und mittrauern wollte, ach herr je!, der käme aus dem Trauern und Mieneziehen gar nicht mehr heraus.
Der Verdacht liegt nahe, daß man sich daher lieber bescheiden gibt und realistisch bleibt und das Mittrauern auf einige besonders schöne Fälle des Sterbens beschränkt. Natürlich die, von denen man überhaupt Kunde hat, weil die Kamera dabei war. Hilfreich ist da wohl auch, wenn gleich mehrfach auf einmal gestorben wird, erstens, weil sich die Mittrauer besser konzentrieren kann, zweitens, weil es einfach mehr hermacht, als so kleckerlesweise hier und da über die Autobahnen der Republik verstreut. Und drittens ist so ein Autounfall doch ziemlich banal, das kennen wir schon, wir haben uns ans Sterben auf der Autobahn gewöhnt, wie langweilig. Aber ein Wohnungsbrand, zudem, wenn die Zeitungen bei einem kleinen Feuerchen schon das Wort „Katastrophe“ bemühen – uiuiui, das ist schon was anderes als ein bißchen Reifenquietschen.
Zudem weiß man ja, daß alle anderen auch davon gehört haben und mittrauern. Und in der Gemeinschaft trauert’s sich einfach schöner. Das hat etwas geradezu Anheimelndes. Man kann auch eine Kerze solidarisch ins Fenster stellen. Hach!
Aber wie sehr ich auch in mich hineinhorche: So recht will mir bei solchen Anlässen das Trauern nicht gelingen. Die Verstorbenen sind mir fremd und bleiben mir fremd, und hätte ich von ihrem Tod nicht in der Zeitung gelesen: Ich würde den Unterschied gar nicht bemerken! Dieses kollektive Getrauere – manchmal kommt es mir gar ein bißchen verordnet vor.
Aber ob die Mittrauer nun echt ist oder nicht: Jedenfalls scheint mir das alles doch den Verdacht des Unverhältnismäßigen nicht so einfach abstreifen zu können. Daß etwa kein geringerer als der türkische Ministerpräsident eigens angereist kommt, um in Ludwigshafen nach dem rechten zu sehen, mag man als ein Musterbeispiel der fürsorglichen Anteilnahme eines Staatschefs für seine Bürger loben – verhältnismäßig ist es nicht.
Der Gipfel des Unverhältnismäßigen aber ist das Brimborium, das über die Herkunft der Bewohner fraglichen Mietshauses gemacht wird. Es ist ganz einfach egal, ob sich in dem fraglichen Gebäude nun Maori, Schwaben oder Eskimos aufgehalten haben. Tot ist tot. Wenn es ein Verbrechen war, wird man das herausfinden, es wird eine Untersuchung geben, der oder die Täter werden gefaßt werden. Punkt. Alles weitere ist einfach nur belanglos.
Und muß auch belanglos sein. Eine aufgeklärte Gesellschaft würde die üblichen Mittel der Strafverfolgung einsetzen, ohne Ansehen der Herkunft der Opfer; eine aufgeklärte Gesellschaft würde über politische Konsequenzen erst dann zu sprechen beginnen, wenn sich die Tat tatsächlich als fremdenfeindlich erwiesen hat, vorher nicht; eine aufgeklärte Gesellschaft käme zuallerletzt auf den Gedanken, es könne sich um einen fremdenfeindlich motivierten Anschlag handeln. Ganz einfach, weil ihr ein solcher Gedanke fernläge. Offenbar liegt ihr ein solcher Gedanke aber nicht fern, so wie der Sünder die eigene Sünde bei den anderen immer zuerst vermutet. So leistet jedes weitere Wort dem Verdacht Vorschub. Möge jeder seine eigenen Schlüsse daraus ziehen.
Und trauern.

Medien

"Wohnungsbrand" auch nicht mehr.

Medien

Ich kann das Wort "Filmfestspiele" nicht mehr hören.

Donnerstag, 7. Februar 2008

Episteln: An C. Von Kindern und Männern (1)

"Der junge Mann spricht mit leuchtenden Augen. Seine vom Eifer bewegte, helltönende Stimme hat keine Mühe, sich gegen das Stimmengewirr und Fahrtgeräusch des Zuges durchzusetzen. Von der Geburt seines ersten Kindes berichtet er, im August war das, hört man mit halbem Ohr, das Erlebnis also noch frisch und eindrücklich, und genauso erzählt er es auch, erzählt es, wie man von einer Heldentat kündet, und zwar von der eigenen: Wie das Fruchtwasser abgegangen sei, wie man sich beeilt habe, in die Klinik zu gelangen, wo es dann doch nicht weitergegangen sei, das Kind zuletzt noch mit Zangen oder ähnlichem (ich hörte nicht so genau hin) habe geholt werden müssen, dann irgend etwas Kennerisches über die Nabelschnur, und dann, krönender Abschluß –: wie sein Sohn ihn über und über mit Blut! bespritzt habe, so daß jemand von den Verwandten sich später besorgt über sein Wohlergehen habe äußern wollen, „Alles klar bei dir?“
Kurzum, dieser Vater war der Held seiner Geschichte. Er kannte sich aus, er wußte bescheid, er trotzte der Gefahr und am Schluß floß Blut: Auf ihn, wohlgemerkt. Die Mutter und ihre Befindlichkeit kam übrigens nicht vor.
Nun ist für viele Männer ja das Kind der Beweis ihrer Manneskraft. Daß man dann von diesem Beweis der eigenen Kraft in den höchsten Tönen schwärmt, scheint gerade noch verständlich (Ich bin da anders, ich könnte nie in diesem Ton von der Geburt meines Kindes erzählen, und auch in keinem anderen Ton. Ein Kind gezeugt zu haben: Ich glaube, es wäre mir ein bißchen peinlich, wie ein öffentlicher Samenerguß. Ich korrigiere mich: Es ist ein öffentlicher Samenerguß.) – Aber es geht um mehr als das, nämlich um eine Art von Einmischung, um das An-sich-reißen-Wollen von Dingen, die wir Männer ja doch nie erreichen werden, und das darum ein um so würdeloseres Bemühen ist. Die meisten Männer begnügen sich nicht mit dem Kraftbeweis der Zeugung; nein: in dumpfem Bewußtsein ihrer Ohnmacht wollen sie selbst noch bei dem Vorgang, bei dem sie ein für allemal Ausgesperrte und Uneingeweihte sind, der Geburt, zugelassen, eingeweiht und: Held sein. Und dann spielen sie sich gewaltig auf mit ihrem angelesenen Wissen über Fruchtblasen und Nabelschnüre und Hormone und wasweißich noch alles, Blut und Schleim, ohne doch das letzte, das Wirkliche, das Mysterium haben zu können: Die Erfahrung, den Schmerz. Und: Sie sind Nebensache, und nicht nur hier, auch bei der engsten Bindung zum Kind, dem Stillen, haben sie keinen Anteil, werden sie naturgemäß Nebenperson sein. Eine abermalige Demütigung: In ihrem eigenen Bereich, dem des Nahrungsbeschaffers, werden sie geschlagen. Da können sie sich noch so gut und noch so informiert über Mastitis verbreiten, es ändert nichts. Und so, meine ich, ist die ganze Aufmerksamkeit der Männer, was das Thema Geburt und Aufzucht angeht, eine gewaltige Kompensationsanstrengung, ebenso wie alle anderen Arten männlichen Heldentums, die alle nicht darüber hinwegtäuschen können, was wir Männer wirklich sind, nämlich arme Würstchen. Es hilft ja nichts, daß wir Dschungel durchqueren und auf den Everest klettern, am Ende noch zum Mond fliegen, oder, wenn alles nichts hilft, uns eine Religion ausdenken oder einen Krieg anzetteln; dort, wo es wirklich drauf ankommt, nämlich bei der Geburt der nächsten Generation unserer Spezies, spielen wir keine Rolle. Allenfalls als Helferlein und Schwimmlehrer sind wir zu gebrauchen. ..."

Donnerstag, 24. Januar 2008

...

Sehr geehrte Frau ----,

in der Frage, ob Sie über die 2 bewilligten Fehlstunden hinaus der nächsten Sitzung fernbleiben dürfen, weise ich Sie darauf hin, daß es erstens in Ihrem eigenen Interesse ist, die Lehrveranstaltungen in Ihrem Studium regelmäßig zu besuchen, und zweitens, daß die eingeräumten 2 Fehlstunden durchaus nicht für Vorträge oder außerplanmäßige Sitzungen anderer Seminare vorgesehen sind, sondern für den Krankheitsfall. Ich gehe also davon aus, daß Sie wirklich gesundheitlich angeschlagen waren und sich nicht lediglich in der "Planung" Ihrer Fehlstunden verkalkuliert haben. Ich empfehle Ihnen unbedingt, an der Sitzung teilzunehmen; 3 Fehlstunden von 13 Sitzungen sind immerhin fast ein viertel, und es ist die Frage, inwieweit die Ausstellung eines Papiers, das Ihnen "erfolgreiche Teilnahme" bescheinigt, im Falle Ihres dreimaligen Fehlens gerechtfertigt wäre. Sollten Sie nach Abwägung dieser Einwände dennoch zu dem Entschluß kommen, der Sitzung fernzubleiben, werde ich Ihnen den Schein – Erfüllung der übrigen Anforderungen vorausgesetzt – nicht verweigern. Bedenken Sie aber bitte, daß es für Ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen, die immer anwesend waren und sich dasselbe Papier hart erarbeitet haben, vielleicht nicht auf das größte Verständnis stößt, wenn andere denselben Schein mit weitaus weniger Aufwand bekommen.

Mit freundlichem Gruß
T. Th.

Pionierweg bei Loch

Bei jedem Gehen im Wald, ja überhaupt bei jedem Gehen ist es mir wie die Suche nach einer verlorenen Heimat.
Ich war einst hier und doch war ich nie hier. Ich kenne diesen Ort von je, er aber hat mich vergessen, sich abgewandt, ein fremdes Gesicht aufgesetzt. Ich kehre zurück und bin doch fremd hier, so fremd, daß ich nicht einmal zum Eindringling tauge, denn der Ort, der Weg, das Schweigen wirft mich zurück, ohne meinen Schritt je gespürt zu haben. Ich stampfe auf, klaube einen Stein aus dem Lehm im Weg, schlage ein Stück Borke von einer Kiefer. Aber ich berühre den Ort nicht, die Flächen bleiben glatt, und was für Spuren ich auch hineintrage, und was für Zeichen meiner Existenz ich den Dingen auch zumute, die Wunde am Baum, das Loch im Boden, die Spritzer einer Pfütze – kaum halte ich still in meinem Toben, in meinem stammelnden Trotz, so gleitet alles in ein innerliches Wesen zurück und wird augenblicks uralt; so uralt, daß mein eigenes Atmen zu einem lächerlichen Nichts wird davor, und alles, was ich hinzufügen oder anrichten kann (verschönern, beschmutzen, zerstören, beduften), ist immer schon gewesen, wie aus den Dingen, ihrer Tiefe selbst hervorgewachsen, vor Jahr und Tag.
Und auch der Lehm an meinen Fingern hat nur noch mit mir zu tun, ist mein Lehm, mein ureigener Schmutz, er gehört zu mir wie mein Geruch und meine Ausscheidungen, und zwischen den Striemen auf meiner Hand und dem Loch im Boden hat sich jeder Zusammenhang verflüchtigt. Abends krümelt sich auf dem Flur vielleicht ein Bröckchen Erde, eine Fichtennadel stakt in der Wolljacke, man möchte das als Zeichen nehmen. Aber den Ort, wo früher ein Zuhause war, ich habe ihn abermals verfehlt.

Mittwoch, 23. Januar 2008

Ein Stückchen

Ein Stückchen weiter. Ein Mosaiksteinchen, aber vielleicht nun das entscheidende, das letzte, das Auge im Gesicht der Sphinx.
Oder so ähnlich und vielleicht auch nicht. Vorläufig geht es aber weiter, und wenn ich um sechs in der Früh aufstehe, ist wieder eine Menge zu tun.
Was Coffein in Verbindung mit Bewegung und frischer Luft so alles zutage fördert ist, wirklich erstaunlich.

Dienstag, 22. Januar 2008

Wieder am Ende, am Anfang

Krise. Nie war das Projekt in den letzten vier Monaten so sehr gefährdet, ja überhaupt in Gefahr. Alles droht wieder an inneren Spannungen zu zerbrechen, die Gewichtung der Einzelteile, die Bezüge untereinander, die Verwiese, alles wieder fraglich. Zu gewollt, zu konstruiert. Einen Textteil durch einen anderen erklären zu lassen, warum ist das so schwer? Warum liest es sich so mühelos bei anderen, zerfällt aber beim eigenen Schreiben immer wieder unter den Fingern?
Ein Hemmschuh ist auch meine fatale Eigenschaft, an einmal glänzend Fomuliertem festhalten zu wollen, um jeden Preis: Ich tue mich unsäglich schwer damit, eine gelungene Szene wieder wegzugeben, wenn sie nicht mehr in ein (wieder mal) umgekrempeltes Gesamtkonzept paßt. Dann versuche ich, das Gelungene doch noch irgendwie unterzubringen, mit dem Ergebnis, daß alles sich aufbläht und überkonstruiert und überkompliziert gerät. Besser wär’s freilich, einfach das Konzept so lange durchzukauen, bis es feststeht, und dann erst mit einzelnen Szenen und Formulierungen zu beginnen, wenn ich mir ganz sicher bin.
Verdammt, ich war mir bereits ganz sicher. Wie oft, weiß ich schon gar nicht mehr.

Freitag, 11. Januar 2008

Nachtrag zu untenstehender Liste

  1. Warum sind die letzten Listeneinträge ohne Punkt?
  2. Warum sind die Punkte verrutscht?
  3. Warum ist der Zeilenabstand doppelt?
  4. Warum ist der Zeilenabstand normal, wenn der Eintrag kein Link ist?
  5. Wozu hat man ein html-Hilfsprogramm, wenn's nicht funktioniert?
  6. Hätte ich wirklich alle "<a href= undsoweiter" von Hand formatieren müssen?
  7. Ich meine, von Hand???

Lektüren 2007

In meinem Leseverhalten hat sich in jüngerer Zeit eine Konstante herausgebildet, die den Ort oder ganz allgemein den Kontext der Lektüre betrifft. Es ist nämlich so, daß ich bestimmte Bücher nur in bestimmten Situationen lese. So sind die Bücher, die ich am Küchentisch während meiner Mahlzeiten (die ich meist allein zu mir nehme) lese, andere Bücher, als diejenigen, die ich vor dem Schlafengehen oder in Bus und Bahn lese, und auch von ganz anderer Art, wie der Liste zu entnehmen ist. (gerade fällt mir auf, daß diese drei: Verkehr, Bett, Essen, fast ausschließlich die einzigen Lesekontexte sind. Jedenfalls lese ich selten „einfach so“, sondern meist, weil es nichts anderes zu tun gibt, etwa, weil man darauf wartet, daß es weitergeht, man irgendwo ankommt oder der Zug endlich einfährt. Eine Ausnahme bildet Fachliteratur, die ich lesen muß, und zu deren Lektüre ich mich gezielt hinsetze. Aber das ist kein Lesen, das ist Arbeit. Ich scheine für zweckfreies Lesen wie etwa Belletristik eine innere Rechtfertigung zu brauchen, eine Belohnung nach abgeschlossener Arbeit etwa, oder eben, weil ich gerade nichts Besseres zu tun habe. Bedenklich.) Jedenfalls habe ich meine Lektüren 2007 auf zwei Listen verteilt, die diese Situation nachzeichnen.
(Mit % bezeichnete Bücher blieben liegen.)
Am Eßtisch: Noch zwei Worte zu einer Art von Bewertung: Was mich wirklich überwältigt hat wie selten ein Buch: Peter Handkes „Mein Jahr in der Niemandsbucht“. Über diesen Eindruck habe ich bereits geschrieben. Das zweite ist Javier Marías’ „Dein Gesicht Morgen“. Da schafft es ein Autor, ein einziges, kaum zehn Minuten dauerndes Ereignis so intensiv vorzubereiten, anzukündigen, anzudeuten, ja, anzudrohen, und das 400 Seiten lang, daß der Buchrücken Schweißflecken abbekommt. Und das in einer sicheren, modernen, unaufgeregten und doch ausdrucksstarken Sprache, ein- aber nicht aufdringlich. Dies höchste Erzählkunst zu nennen wäre untertrieben.
Ich habe weniger Abgebrochen im letzten Jahr. Entweder hatte ich mehr Durchhaltevermögen, was ich, angesichts von Unleserlichem wie „Blanche oder Das Vergessen“ oder „O άγγελος της στάχτης“ nicht für unwahrscheinlich halte, oder ich hatte einfach ein glückliches Händchen bei der Auswahl. Vermutlich ist beides der Fall.
Eine weitere Entdeckung war Rushdie, dessen „Midnight’s Children“ ich im Sommer las. Beeindruckend in Sprache und Stil, ein Feuerwerk an Einfallsreichtum, Skurrilem, Zauberhaftem, Magischem, daß es dröhnt und quietscht und kracht. Allerdings muß man sagen: In der zweiten Hälfte wäre weniger mehr gewesen, da franst es nämlich.
Und noch eines, nein zwei: Dostojewskij lese ich nicht mehr. Das ist mir einfach zu blöd. Ich muß mir allmählich nicht mehr sagen lassen, was ein gutes Buch ist. Und das „Rubinhalsband“ von Henning Boetius ist einfach nur stuß.
Übrigens lese ich gerade „Away“ von Jane Urquhart: Eines der Bücher, die nur solange begeistern, wie man sie liest. Eine kurze Pause genügt, und die Begeisterung ebbt ab. Schade, daß die Handlung so merkwürdig und unglaubhaft ist. Die Sprache hätte einen schöneren Plot verdient (oder weniger davon). Gerade beendet habe ich Passig & Scholz „Lexikon des Unwissens“. Mehr darüber nächstes Jahr.
Ach noch etwas: Empfehlungen für 2008?

Dienstag, 8. Januar 2008

Ecce undique ... clamor

Es ist wie eine lange zurückgehaltene, angestaute Energie, die sich plötzlich Bahn bricht: Die Straßen summen und vibrieren von nahem oder fernem Verkehr, Gehwege und Plätze sind dicht von Fußgetrappel, überall ein Blinken und Zucken und Lärmen verschiedenster Maschinen, und selbst der Fahrradständer vor dem Supermarkt ist völlig verschraubt und verklemmt von Blech.
Jedes Jahr zweimal dasselbe Phänomen, nach dem Drei-Königs-Tag und dann am ersten Schultag im August, diese plötzlich überschießende Aktivität, als sei alles und jeder froh, daß es endlich weitergehe mit der Betriebssamkeit. Genug geruht, jetzt muß wieder gelärmt und geschwurbelt und herumhektisiert werden. Nur nicht stillestehen! Nur keine Stille! Nur nicht nachdenken müssen und ins Grübeln kommen. Hauruck!
Während ich selbst gerade erst angefangen habe, den Lärm abzulegen und in diese köstliche Stille zwischen Jahresende und Jahresanfang hineinzuwachsen und dann endlich selbst bis in die Tiefe hinein ruhig zu werden, poltert schon wieder das Getriebe los, rollt an, startet durch und trifft in mir auf einen bereits entwöhnten, empfindlich bloßliegenden, aller Verhärtungen und Panzer entbehrenden Kern. Ich habe es natürlich falsch gemacht: Lieber jetzt Urlaub nehmen und diesem Fleißausbruch entkommen, als die ohnehin stillen Tage wandern gehen. Nie ist es angenehmer auf Straßen und in den Zügen als gerade zu diesen ruhigen Zeiten. Sofern „angenehm“ im Zusammenhang mit „Straßen“ und „Zügen“ überhaupt ein sinnvoller Terminus ist. Die einzige Zeit, in der es in den Menschenpferchen, die man „Städte“ nennt, erträglich ist, ist Sonntags zwischen 5 und halb acht. Sagen wir also: Zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag ist es nicht ganz so schlimm. Ausnahmen sind die geradezu absurden Menschenmassen, die am Silvestervormittag in die Supermärkte einfallen und Waren an sich raffen in Quantitäten, als gehe anderntags die Zivilisation unter. (Was angesichts der Mengen an Explosivstoffen, die da erworben werden, manchmal gar nicht so unwahrscheinlich scheint.)
Manchmal versuche ich mir vorzustellen, wie eine Welt aussehen könnte, in der Ruhe herrscht, eine sanfte, feierliche Ruhe, ein Leuchten in der Luft, ein Glanz auf den Dingen, wie ein gelöstes, nach Innen gerichtetes, dem Geheimnis zugewandtes Lächeln.





Freitag, 21. Dezember 2007

Solstitium (consecutio temporum)


Das Gewicht der Schmerzlosigkeit, des Gewicht der Leere.

Als wäre die Jahre danach alles, was uns einmal verbunden hatte, nur mehr in Schmerz ausdrückbar gewesen, fühle ich nun die vielleicht schönste Zeit meines Lebens (ganz sicher sind wir nicht; es könnte auch die zweitschönste sein) zu einem Nichts verblaßt. Ohne den Schmerz hat das alles keine Geltung, war nur als Nachleiden noch gültig, nur so lange, nur vorläufig. Zuerst sehnte ich mich nach E., jetzt sehne ich mich nach dem Schmerz. Eine Zeit nach aller Zeit, wo?, nirgends. So verliert man selbst den Verlust noch, die gelebte Zeit. So verschwindet das Leben hinter einem, schließt sich, ist fort, hat es bereits nie gegeben.

Selbst ihr Name nicht, gilt nicht mehr. Wenn ich sie denke, nunmehr unter dem Gewicht des Schmerzmangels, denke ich sie nur noch als Bild, als Haar, als Mund, als Sprache, als Klang, als Flöten, als Tierlaut. So wie ich neulich zusammenzuckte, abends am Südbahnhof; sie in der Tiefe der gelben Laternen zu sehen meinte; ohne Sprache dachte ich sie; das Aufzucken im Innern namenlos, wortlos das Erkennen.

Die Schwierigkeit besteht darin, daß ich ja nicht mehr weiß, wen ich da eigentlich geliebt haben soll, noch viel weniger, wer das ist, die mir nach der Liebe den Schmerz eingab. Ich kann mich ja kaum noch erinnern; was einen ganz neuen Schmerz bedeutet, Schmerz über den Verlust eines Schmerzes, einen Schreck wie beim Sturz, wenn das letzte haschende, panische Zucken nur Luft, Leere, haltlosen Schwung zu greifen bekommt. Kein Tempus ist hier richtig, ich habe E. geliebt und ich liebe E. sind gleichermaßen zu widerlegen und zu bekräftigen. Um diese Geschichte zu formulieren, jenseits jeder Chronologie nachzubuchstabieren, bedürfte es einer völlig neuen Grammatik, einer Sprache, die Erinnerungen besser abbilden, ihre Lebendigkeit und Bedeutung ebenso wie ihr Verblassen, ebenso wie ihren weitausfallenden Schattenwurf besser umreißen könnte.

Ich versuche, es zu finden, finde keins: ein Tempus, das irgendwie von jener vergangenen und zugleich unvergänglichen Zeit handeln würde, ein Tempus, das die Kraft hätte, sich auf dieses Niemandsland von erinnertem Leben und verlebter Erinnerung zu beziehen, jenes Erinnerungsraums, in dem ich absurde Römische Dichter lese und morgens die Kaffeetasse mit kaum vernehmbarem Hallen aufs Klavier absetze, hinausblinzele in das Quietschen der Güterzüge, während du noch schläfst, das Gesicht in den Kissen, Strudel von Haar darüber, und dein Name noch E. ist.

Mittwoch, 19. Dezember 2007

...

Selten geworden: Die laut sprechbaren Wörter. Was noch an Wörtern da ist, bedarf des Flüsterns, des Im-Innern-Seins. Es sträubt sich. Es zerbricht so leicht so laut. Es ist nicht mehr so leicht wie es früher einen ankam, ein Du hineinzusprechen in Gewölk und Nacht und ihm nachzulauschen, während das Atemwasser über den Laternen verdampft. Man jubelt es nicht mehr, das Du. Man erträgt sein zitterndes Echo, wie ein Vogel die Luft aushält.

Freitag, 14. Dezember 2007

Wiedersehen am Südbahnhof

Gestern hätte ich dich fast gesehen, wie du, unverkennbar in deinem grünen Mantel und mit dem rosa Schal, der sicher immer noch nach Haut riecht und Haar (wenn du ihn noch trägst), in Begleitung die durchlichtete Treppe hochkamst, jenseits der Menschen am Bahnsteig, und für Momente so grün und rosa und schmal und schwarzhaarig, daß kein Zweifel bestand, noch zumal du wie erschrocken stehenbliebst, mit einem Ruck, schien es, nachdem du mich (sicher?) gesehen hattest, die Hand deines Begleiters ergriffst, etwas zu ihm sagtest, ungeduldig, ja sicher ungeduldig („das erklär ich dir später“) und ihn wieder hinabzogst in die Helle des Treppenaufgangs, wo ihr gemeinsam verschwandet.
Ein Schreck auch für mich, dieser vertraute Gang, das unverkennbare Schlenkern der Füße, dein blasses Gesicht, als könnte ich bis hier hören, wie du die Nase in der Kälte hochziehst, und dann die Flucht, der Schmerz und der andere, und am Ende, im Zug, als ihr doch noch eingestiegen wart, da warst es gar nicht du.

Mittwoch, 28. November 2007

Bornheim

Vorübergehend wieder eine Tiefe am Himmel, hell, grell und scharf wie ein Sturz, der dauert und dauert und nirgends aufschlägt. Hinter den Lidern dunkle Kreise, Musiktakte lang, ein Flimmern an den feuchten Brauen. Dann ist es schon vorbei, ein Rabe flattert aufs Feld, eine Scholle verschluckt seinen Schnabel, drüben an den Hängen erlöschen die Häuser, die Wolkenfalle schnappt zu über den Ohren und einem Obstbaum, der seinen Schatten frierend in sich zurückzieht und dann klirrend erlischt.

VOCES INTIMAE

... for we have some flax-golden tales to spin. come in! come in!

Kommt herein, hier sind auch Götter ...

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