O tempora, o mores!
wie die zeitung von gestern -- Sie glauben doch nicht wirklich, meine Damen und Herren von der Spiegelredaktion, daß ich für einen acht wochen (in zahlen:8 wochen) alten artikel 50 cent zahle?
von:
Talakallea Thymon - am: 2. Mai, 17:16 - in: O tempora, o mores!
so leicht lassen die türen sich drehen, daß einen der ekel überkommt. türauf, türzu, türauf, licht an, stuhlgeplumpse, müdrücken, und die tastatur hängt sich wie fanggewebe an die finger. das bekomme mal einer wieder weg.
tagesekel. lichtekel, baumekel, fensterekel, und zwischen den augen blaut lüstern allfällig der sturm. lammellierte sonne zirpt in zerscheibtem himmel, indes ansagenlautsprecher mürben lärm herauswürgen, und da stehen sie wieder mühelos, die alltäglichkeiten, bereit, unseren händen zuzuspielen; keine sperre stellt sich in den weg, mit spannung erwartet man die neusten überraschungslosigkeiten. frau soundso, die alle welt kennt, ist schwanger von herrn xy, den auch alle welt kennt, aha aha. auch schon öfter gesehen: öffentlich angepriesenes gift, das ein besseres leben verspricht, obwohl es tödlich ist. auch schon dagewesen: eingeweide auf asphalt. allerdings haben die ihren ganz eigenen charme, zugegeben, vor allem, wenn noch brustkorb und beine dran sind und sie als verwackeltes videobild dargeboten werden. da schaut man gerne hin, da macht man es sich gemütlich. hier werden embryonen gegen eine wand geklatscht, um sie zu töten, dort brüllt unterdessen ein waschmittel steife parolen, und die mutter liegt gebrochenen blicks mit klaffendem bauch in der gosse. mit zwilling schneiden Sie immer gut ab. wir waren dabei, als man dem freischärler einen spitzpfahl vom anus her durch den leib schob und belegte brötchen dazu salsa tanzten, wir haben es gehört, wie eine zahnpasta das ewige leben predigte. aber beruhigend, daß nichts so schlimm kommen kann, daß sich irgendwas änderte. es ist alles in bester ordnung. erwartungsgemäß krähen die stimmen, die keiner hat hören wollen, und vor lauter freude gehen die uhren im gleichtakt. keine spur von sand. die sache läuft rund. bremsen wird allmählich gefährlich. aber warum auch, wo doch der fahrtwind so schön kühl ist.
und weil das ich bedeutender ist als der tod des freischärlers: wäre das ein leben gewesen, frage ich mich. aber welches. und auch das hat man hinter sich schon lange, längst ist man in einer welt nach den jahrhunderten angelangt, längst pfeifen die leeren räume, und vor uns ist alles schon gewesen und gut sortiert und aufgeräumt. anfänge heulen den mond an nächtelang. wäre, ach wäre wenigstens ein brausender abgrund. aber selbst ein schöner sturz ist kaum mehr originell. der untergang ist auch nicht mehr das, was er einmal war. zu viele gehen dafür unter. zwischen leben (öd) und sterben (öd) bleiben nur noch die glanzlippenmoderatorinnen, gewinnspiele ohne gewinn, der konjunktiv, der allesmixer, 0190er-nummern, free sample sex videos, absatzfördernde labyrinthe, funkvogelschreie, sommerschlüsse, diätetische warnungen (daß einem nicht langweilig wird), cellulitislotionen, die neuerdings cellulitelotionen heißen; und hilft das nicht, haben wir ja zum glück noch telephonhüllen, geköpfte söldner, singende krokodile, verbuddelte säuglinge, personalized sneakers, abgehackte gliedmaßen, mißhandelte kindergärtnerinnen und andere alltagsspäße. von gedärmen auf straßenpflaster war ja schon die rede. halbtransparente erdkugeln drehen sich zu einem weckergepiepe, als hätte unser letztes stündlein geschlagen (was es wohl wirklich hat). wird alles zu spaßhaft, bleibt natürlich zur erernstigung immer noch der METUS TERRORIS. sei wachsam, überall kann es dich treffen. jede jeansjacke ist verdächtig. und wenn es am end eine lederjacke war, macht es auch nichts. so ist dafür gesorgt, daß man nicht nachlässig wird, daß man mißtrauisch bleibt, sorge dich, aber vergiß nicht, dich zu UNTERHALTEN. sorge dich nicht zuviel, und vor allem, ohne deinen denkapparat in betrieb zu nehmen. der himmelTM ist auch schon aufbereitet. und rauchen kann tödlich sein. wäre es nur so. es bleiben statt dessen für einen schnellen tod nur stricke aus öko-sisal (für neurodermitiker geeignet), rasierklingen mit kindersicherung und schales gift® (light) mit naturidentischen aromastoffen. vorsicht! enthält eine phenylalaninquelle.
wo bleibt man da mit der herzensangelegenheit. mit der herzensangst. überhaupt mit dem ganzen herzen, schon zuckt man zusammen, als hätte man etwas schwerverdauliches gesagt. nimm mir nicht das wort aus dem mund, aber es ist schon zu spät. für jede regung gibt’s schon eines, und man kann sicher sein, daß es bereits schimmel angesetzt hat. wie soll ein gefühl noch an die hochglanzseiten heranreichen? und wie sollte mein, unser kleines fühlen den televisionären, den maximalen, den bunten ansprüchen genügen? ein wort wie liebe, lächerlich. ein wort wie zorn, anmaßend. --- ein wort wie du: unbrauchbar geworden. wir sind vorgelebt, wir schnittmustermännchen. wir sind kopien und nacheiferer imaginärer originale. du bist verliebt? sei doch nicht albern. du bist verzweifelt? so’n quatsch, du bist ja nicht mal im fernsehen. du bist traurig? ich bitte dich, du kannst dir ja nicht mal den therapeuten leisten, der dir das diagnostiziert.
da könnte ja jeder.
von:
Talakallea Thymon - am: 24. Feb, 11:06 - in: O tempora, o mores!
Sehr geehrte WDR3-Redaktion!
2004 war das Petrarcajahr. was für ein wirbel! erinnern sie sich? nein? schon monate vor seinem 700. geburtstag (am 20. juli 1304 ) waren die buchbesprechungen voll von neuen petrarcapublikationen, die neuerscheinungen von hörbüchern mit seinen sonetten und canzonieren wuchsen zur flut, in den auslagen der buchhandlungen war kaum noch platz für andere veröffentlichungen, auf den büchertischen stapelten sich biographien, bildbände („Petrarcas Toscana“, „Der Mont Ventou in den Augen des Dichters“) und bibliophile werkausgaben. es gab lesungen, dikussionsrunden, fernsehsendungen, einen kinofilm und die konditoren erfanden eigens die petrarcakugel.
nein?
nein, so war es nicht, und man darf froh darüber sein, daß uns ein solcher wirbel erspart geblieben ist. andererseits: daß dem WDR der geburtstag des mittelalterlichen dichters damals kaum eine knappe meldung in der sendung „mosaik“ wert war, stimmt nachdenklich, manch einen zeitgenossen gar traurig. noch trauriger aber mag einer werden angesichts des bunten treibens, das der 250. geburtstag Wolfgang Amadé Mozarts dem WDR jetzt wert ist.
vergeblich hätte man im jahr 2004 ab und an ein Petrarcagedicht zum tagesbeginn erwartet, doch schon seit jahresbeginn hören wir, damit man es auch ja nicht vergißt, pünktlich um halb acht einen brief des komponisten, gelesen von Klaus Maria Brandauer. abgesehen davon, daß Klaus Maria Brandauer diese aufgabe hervorragend löst, gehören die briefe mozarts nun wirklich nicht zu dem, was man als litarischen höhenflug bezeichnen möchte. im anschluß erklingt, wie könnte es anders sein, ein mozart-stückchen. mozart hier, mozart da, mozart früh, mozart spät. mal ein kleiner beitrag zu seiner biographie, dann wieder vernimmt man von der „therapeutischen wirkung“ seiner musik. verkausfördernde mystik. in den „resonanzen“ wenig später ein beitrag über die „botschaft der zauberflöte“. klar, welches werk sonst. selbst der WDR schlägt in die bresche der mozart-gassenhauer. seltsam, daß die „Kleine Nachtmusik“, wie die streicherserenade nr. 13 in D-Dur, KV 525 meist genannt wird, noch nicht zu hören war.
wenn der kommerz die bekanntheit Mozarts ausschlachtet, so mag das hingehen; was aber verleitet eine öffentlich-rechtliche rundfunkanstalt dazu, den wirbel mitzumachen? und wenn sie ihn mitmacht: was hält dieselbe rundfunkanstalt dann davon ab, künstlern, die für die kulturgeschichte des abendlandes mindestens ebenso bedeutsam wie (womöglich aber noch bedeutsamer als) mozart waren, die aufmerksamkeit zum runden todes- oder geburtstag fast vollständig zu verweigern?
man verstehe mich nicht falsch: es geht nicht darum, die musik mozarts und ihren künstlerischen stellenwert schmälern zu wollen, im gegenteil. es sollte nur einen ort und eine institution geben, wo die leistung eines künstlers unabhängig von seiner kommerziellen ausschlachtbarkeit, seiner allgemeinen beliebtheit oder seiner bekanntheit gewürdigt wird; eine instuitution, die einem künstler jenseits aller publikumsvorlieben diejenigen ehren erweist, die ihm nach meinung dieser institution als künstler zukommen. schließlich könnte es ja auch darum gehen, nahezu vergessenen größen zu ihrem verdienten ruhm und zu breiterer bekanntheit zu verhelfen. wer, wenn nicht ein öffentlich-rechtlicher sender wie der WDR, der sich in seinen werbefreien programmen um einschaltquoten nicht zu scheren braucht, könnte dies leisten?
dann hätten wir nämlich auch ein schönes Petrarcajahr gehabt.
mit freundlichem gruß
T. Th.
von:
Talakallea Thymon - am: 27. Jan, 12:13 - in: O tempora, o mores!
Irgendwo hier im gebäude klappert es, wie wenn ein blech, eine lüftungsklappe, eine blende herumschlägt. hotmail bietet mir einen intelligenztest an, dessen erste aufgabe darin besteht, die tokens des buchstaben „f“ in einem kleinen text zu zählen. laut ergebnis bin ich ein genie, aber ich kannte den test schon. unter den biographien der woche sind vier angeblich berühmte menschen (von zehn), von denen ich noch nie etwas gehört habe, nicht einmal den namen: Lance Armstrong (schon mal gehört), Osama bin Laden (weiß, wer das ist), Jan Ullrich (schon mal gehört), David Beckham (?), John Travolta (schon mal gehört), Christine Licci (??), Daniel Radcliffe (???), Charles Augustus Lindbergh (jau!), Ronaldinho (??!??), Thomas Gottschalk (ach ja). außerdem ist eine person namens Kylie Minogue (??????), die ich ebenso wenig kenne wie Ronaldinho (??!??), in ein anderes Krankenhaus verlegt worden. jemand schlägt mir vor, ich solle meine freunde neidisch machen, indem ich ihnen ein photo von mir ganz entspannt in einem liegestuhl sitzend und einem „flirt an der hand“ präsentiere, ein anderer möchte unbedingt, daß ich abnehme, und die huygenssonde könnte vielleicht leben auf dem titan gefunden haben. ich putze meine brille und sehe aus dem fenster.
Der horizont umschließt die stadt mit hartem wolkengriff. regen zieht dünn und leise herab, leute ducken sich unter regenschirme, reifen rauschen. nässe läuft dunkel über plakatwände, läßt strände, flugzeuge, parfumflakons, mobiltelephone, wellnesshotelanlagen (???!!?) aufquellen. aufmerksamkeit ist ein seltsamer vorgang. wenn ihre freunde sie jetzt so sehen könnten. das auswählen wird immer schwieriger. unsere instinkte sind nicht auf ignorieren programmiert, das macht die sache im falle unerwünschter information, die gleichwohl alle scheinattribute hochwichtiger information an sich trägt, lästig. andererseits wäre unser gehirn, wollte es allem die gleiche aufmerksamkeit zollen, völlig überfordert. also ist auch das vergessen, wegsehen, ignorieren programmiert. die frage ist, worauf man sich konzentrieren will, und unter welchen umständen es gelingt. Da gehe ich tag für tag an einer bestimmten glastür vorbei. an dieser glastür klebt eine idiotische mobilfunkwerbung mit einem völlig albernen text, so albern, daß ich mir vornehme, diesen text nicht mehr zu beachten. nehme mir vor, diesen text abzustrafen mit mißachtung.
es gelingt aber nicht. jedesmal aufs neue bleibe ich dran kleben, und merke es erst, wenn ich schon dabei bin, den text zu registrieren. ab jetzt gibt es kein bafög mehr. es sei denn, sie telephonieren gern. lassen sie die pfunde purzeln. nein, ich will keine pfunde purzeln lassen, und ich will auch nicht teuer dafür bezahlen, daß ich gratis telephonieren darf. ich will nicht einmal diese aufforderung bewußt zur kenntnis nehmen. aber wie kann ich das? die schwierigkeit besteht wohl darin, einen reflex zu unterdrücken. reflexe sind unmittelbar, sie setzen kein bewußtsein voraus, sie sind von einem willen unabhängig. zeigt mir jemand eine überdimensionale nackte weibliche brust – ich bin nicht der, dessen instinkte darauf nicht reagieren (dem himmel sei dank). einmal aus dem augenwinkel erhascht, und schon hast du hingeschaut. scheinattribute hochwichtiger information. das geht ohne jede tätigkeit der großhirnrinde, dazu reicht derjenige teil unseres nervensystems, den wir mit den reptilien (1) gemeinsam haben. schlimmer noch, die großhirnrinde kommt bei diesem vorgang erst gar nicht zum zuge. die großhirnrinde reflektiert das geschehen höchstens aus der retrospektive und schreibt dann einen weblogeintrag darüber. dann ist es aber schon zu spät, und man hat den artikel, der mit den brüsten beworben wird (wahrscheinlich ein auto, oder ein reisebureau oder eine versicherung, es gibt ja so vieles, was man mit einer weiblichen brust assoziiert) schon abgespeichert.
dennoch lassen sich reflexe beeinflussen, lassen sich unterdrücken oder konditionieren. doch was, wenn der reflexauslösende reiz jeweils ein anderer ist? und möchte ich wirklich meinen brüstehinguckreflex in einen brüstewegguckreflex umkonditionieren?
eine andere möglichkeit wäre natürlich, den kanal, auf dem die aufmerksamkeitsforderung zu uns gelangt, zu meiden: keine zeitung, kein fernsehen, kein kino, kein büdchen, radio auch nur bestimmte sender, internet? um himmels willen. also verzicht auf alles, was man heute so schön „die medien“ nennt. aber das reicht nicht.
denn ganz zu schweigen davon, daß ich ja auch von bestimmten infomrationen abhängig bin: die aufmerksamkeitsforderungen werden überdies noch überall gestellt, nicht nur in bestimmten, umgrenzten und daher vermeidbaren bereichen, sie sind ubiquitär. straßen, busse, bahnen, öffentliche gebäude, plätze, parkanlagen, ja, häuserwände, ja sogar die luft ist potentieller aufmerksamkeitsforderungsraum. brüste prangen auf zeppelinen, prickelnder bierschaum ergießt sich von betonwüsten herab, ein sinnlicher mund leckt kondenswassergetrübtes speiseeis vom straßenbahnrumpf. Abgesehen davon, daß auch auf unverdächtigen kanälen plötzliche, ungesuchte information sich anheischig macht, unsere aufmerksamkeit einzufordern. man kann ja nicht einmal ein taschenbuch zur hand nehmen, ohne hinweise auf weitere publikationen des verlags registrieren zu müssen. man kann nicht einmal eine fertigpizzapackung aufreißen, ohne mit superlativen und imperativen bedrängt zu werden (versuchen sie doch auch mal unsere köstliche …). ja, noch schlimmer: manchmal wird auch das bedürfnis nach echter information heimtückisch ausgenutzt, indem beispielsweise eine nachrichtenmeldung im internet beim anklicken zunächst auf eine weitere werbeseite mit leicht variiertem angebot führt, ehe nach nochmaligem anklicken der gewünschte artikel erscheint. oder suchmaschinen blenden perfiderweise passend zum suchbegriff werbeanzeigen ein.
wäre das werben, das buhlen um aufmerksamkeit, auf vorhersehbare kanäle beschränkt, wäre es nutzlos. werben funktioniert durch die beständige unerwartete bestürmung unserer sinne. unsere aufmerksamkeit muß im handstreich genommen werden. es darf dem betrachten keine entscheidungsfindung seitens des betrachters vorausgehen. denn wer würde eigens eine entscheidung fällen, um ein werbeplakat betrachten zu dürfen?
ich nehme mir vor, wegzusehen, mehr noch, als ich das wohl schon lange gewohnt bin; manchmal habe ich sogar erfolg: ich habe es tatsächlich geschafft, nicht mitzubekommen, wer dieser Ronaldinho ist. oder sollte man eines tages mit mobiltelephonen photographieren können – es dränge diese neuigkeit mit jahrelanger verspätung zu mir durch.
(1) In streng kladistischer formulierung müßte ich natürlich so etwas wie non-avian, non-mammalian amniote“ sagen, aber ich denke mal, die leser und leserinnen wissen, welche lebewesen ich meine.
von:
Talakallea Thymon - am: 11. Jan, 12:13 - in: O tempora, o mores!
Bei einem
Delicatessenhändler (man klicke sich zu >Produkte>Honig durch) ist folgendes zu lesen:
Unser Akazienhonig stammt aus den weiten, unberührten Robinienwäldern. Die Akazien blühen im zeitigen Frühling in duftenden Blütentrauben und bieten den Bienen eine Fülle von Nektar.
Da fragt man sich Verschiedenes. Zum Beispiel, wie man Akazienhonig aus Robinienwäldern ernten kann, vorausgesetzt, man versteht unter einem Robinienwald einen Wald, der aus Robinien besteht. Zweitens mögen zwar Akazien im zeitigen Frühjahr blühen, Robinien blühen jedoch keinesfalls vor Mai. Und was für einen Wert hat die Information für den Kunden, daß die Blüten in duftenden Trauben (korrekt! -- aber welchen Informationsgehalt hat hier das Adjektiv duftend?) angeordnet sind, und daß sie den Bienen eine Fülle von Nektar bieten? (Letzteres möchte man ja kaum glauben angesichts der Tatsache, daß es sich bei dem beworbenen Produkt um Honig handelt). Was heißt außerdem unberührte Wälder genau? Und wenn man dann noch bedenkt, daß der Honig aus Ungarn stammt, Akazien aber keine winterharten Gewächse sind, gerät man ins Grübeln. Mit anderen Worten: Woher kommt dieser Honig wirklich und aus welchen Blüten stammt er?
von:
Talakallea Thymon - am: 23. Jun, 09:34 - in: O tempora, o mores!
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit möchte ich Beschwerde gegen einen Ihrer Mitarbeiter einlegen. Gestern, am 23.11.2004 um 14 Uhr am Bahnhof Köln-Süd wurde mir vom Zugbegleiter der Einstieg in die verspätete Regionalbahn RB 11217 Richtung Bonn, planmäßige Abfahrtszeit 13:45 mit der Begründung verweigert, ich hätte widerrechtlich die Gleise überquert. Der Mitarbeiter stellte sich dabei so vor die Tür, daß ich nicht an ihm vorbeikam. Ich hielt das für einen Scherz und bat ihn, er möchte bitte Platz machen, damit ich einsteigen könne. Darauf wurde mir erwidert, ich solle bitte die Treppe benutzen. Dann schloß sich die Tür, der Zug fuhr ab.
Ich erkläre hiermit, daß ich die Gleise nicht überquert habe. Andererseits hätte auch das am Fehlverhalten Ihres Mitarbeiters wohl kaum etwas geändert. Ich verlange von Ihnen eine scharfe Zurechtweisung des Mitarbeiters.
Übrigens ist dies schon das zweite Mal, daß ich wegen eines solchen "Verdachts" in Schwierigkeiten gerate. Beim ersten Mal sprach mich ein Mitarbeiter des sogenannten Prüfdienstes in höchst unangemessenem Tonfall mit der Bemerkung an, ich hätte doch gerade die Gleise überquert. Glücklicherweise mischte sich eine Mitreisende ein und bezeugte, daß nicht ich es gewesen war, der die Gleise überquert hatte. Von einer Beschwerde habe ich damals abgesehen, da der Vorfall folgenlos blieb und sich der Mitarbeiter bei mir entschuldigte.
Im übrigen möchte ich bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam machen, daß die Anlage des Kölner Südbahnhofs das Überqueren der Gleise förmlich herausfordert, da man, um vom Aufgang Zülpicher Straße auf Gleis 1 zu gelangen, über 200m gehen muß -- eine Strecke, die verständlicherweise nach Abkürzung verlangt, wenn die Zeit knapp ist und 40 min Wartezeit drohen. Täglich sind dort zahlreiche Fahrgäste zu beobachten, die sich dieser Abkürzung bequemen. Statt unangemessener disziplinarischer Sofortmaßnahmen durch das Personal der DB wäre vielleicht an den Bau einer Brücke oder einer Unterführung zu denken, die das Überqueren der Gleise überflüssig macht. Oder muß dort erst ein Unfall geschehen, ehe diese schon lange fällige Verbesserung in Angriff genommen wird?
Hochachtungsvoll
T. Th.
von:
Talakallea Thymon - am: 24. Nov, 12:24 - in: O tempora, o mores!
(Norberto)
Wichtig wäre auch,
über den Umgang mit den vielen, vielen Fremden nachzudenken, welche durch die Wälder sausen, die Räume bevölkern, nachts in eine Disco gehen möchten und auch noch Geld verdienen wollen, wovon indirekt (über Steuern) dann die Bibliotheken finanziert werden können.
(T. Th.)
welche Fremden?
Im übrigen ist es mir ganz recht, wenn die Leute, statt über den Wald herzufallen, sich in der Disco taube Ohren verschaffen, oder die Leihbibliothek finanzieren. Leider glauben auch diese, sie müßten mal raus aus der Stadt. Einsamkeit ist nun mal eins von den widersprüchlichen Gütern, deren Inanspruchnehmen mit ihrer Vernichtung einhergeht. Wenn alle einsam sein wollen, ist es keiner mehr. Wenn alle das Schwimmbad nutzen wollen, kann es keiner mehr richtig nutzen, dasselbe gilt für die Bibliotheken. Zum Glück (noch) nicht für Schulen, wohl aber schon für Universitäten.
Was Dein Kommentar aber mit meinem Eintrag zu tun hat, verstehe ich nicht ganz.
Um trotzdem noch dabei zu bleiben: Es ist ein alter Hut, daß viele Errungenschaften, Tätigkeiten, Angebote und Leistungen, vor allem kultureller Art, von allen Angehörigen einer Gemeinschaft finanziert, aber nur von einer Minderheit genutzt werden und auch nur genutzt werden können. Das ist insofern nicht traurig, als sich die Mehrheit überhaupt nicht dafür interessiert; es ist aber doch traurig, weil sie ja dafür teuer zahlen und ihnen etwas aufgebürdet wird, das sie nicht einsehen können (anders etwa als beim Gesundheitssystem, das auch die Gesunden wollen müssen); auch ist es ein flaues Gefühl, im Kulturschaffen finanziell von denen abzuhängen, die sich für Kultur nicht interessieren.
Auf der anderen Seite bedeutet der gegenwärtige Zustand nicht, daß es der einzig denkbare Zustand ist. Eine Gesellschaft, in der das Interesse an Kultur bei allen ihren Mitgliedern gleichermaßen ausgeprägt wäre, dürfte kaum das Ende der Kultur bedeuten.
Ich schweifte ab. Und habe immer noch nicht verstanden, was Dein Kommentar bedeutet.
(Norberto)
Mein Kommentar sollte daran erinnern, dass es noch andere Dinge gibt, die wichtig sind. Da du nur von deinen Freunden usw. gesprochen hast, habe ich daran erinnert, dass wir wesentlich auch mit Fremden zusammenleben. Dieser Aspekt des öffentlichen Lebens, wo auch Geld verdient werden muss, fehlt in deiner Liste.
Etwas allgemeiner formuliert: Du fragst nicht, unter welchen Bedingungen die von dir genannten wichtigen "Dinge" realisiert werden können; du nennst nur schöne Ziele, einen Wunschkatalog. Aber bekanntlich sind die Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, vorbei.
(T. Th.)
Ich wünsche nicht. Ich mache darauf aufmerksam, daß das, worauf es ankommt, mit Geld nicht zu kaufen ist. Und daß wir (ja, wir) trotzdem wie die Irren dem fehlenden Gelde hinterherjammern. Das mag eine banale, ja triviale Einsicht sein, wenn es aber so ist, warum sieht die Welt dann so aus wie sie aussieht? Natürlich kann einem das Liebesleben gestohlen bleiben, wenn der Magen knurrt; ich glaube aber nicht, daß es möglich ist, mich in dieser Weise mißzuverstehen. Sollte sich in dieser Auflistung jemand nicht wiederfinden, so sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich um eine rein persönliche Werteliste handelt, die niemandem aufgezwungen werden soll und mit der ich auch keine Politik zu machen wünsche. Wer sich aber darin wiederfindet, der versteht vielleicht, worauf ich hinauswill. Auch möge jeder sein eigenes in Gedanken hinzufügen.
Die Leihbibliotheken tanzen hier etwas aus der Reihe, da sie mit Geld verwirklicht werden, das irgend jemand verdienen muß. Aber die Bereitschaft, Kunst zu machen, ein Buch zu schreiben, die Fallgesetze zu studieren -- die ist vom bereitstehenden Geld völlig unabhängig. Das Buch steht in dieser Liste für die künstlerische und überhaupt kulturelle Lebensäußerung und Lebensverwirklichung -- wozu ich auch Wissenschaft und Religion zählen möchte.
Im übrigen ist diese Erläuterung schal und überflüssig und nimmt meiner Auflistung ihren Reiz. Wenn sie überhaupt einen hat, das sei dahingestellt
von:
Talakallea Thymon - am: 12. Sep, 10:20 - in: O tempora, o mores!
Weils mich schon lange beschäftigt, und mal gesagt werden muß: Es ist schon erstaunlich, daß ausgerechnet diejenige Hälfte der Menschheit (zumindest dort, wo die Menschen genug zu essen haben) sich Sorgen um den eigenen Leibesumfang macht, die sich am wenigsten sorgen müßte – denn weibliche Attraktivität wird von einem bißchen Fleisch mehr auf den Knochen nur unterstrichen, ja, gesteigert, während dies für Männer kaum gelten dürfte. Bei Frauen ist das allseits gefürchtete zuviel eigentlich ein genau richtig. Quellen soll es und schwellen, und schwabbeln und wackeln, so ist es schön. Wem gefällt denn ein Bündel hautumspannter Knochen, jetzt mal ehrlich, wem gefällt das? Und wer hat sich ausgedacht, daß Hungerdürre schön sein muß? Ich verstehe diese hysterische Anbetung der Magerkeit nicht, die derzeit, und nicht erst jetzt, allerorten zelebriert wird. Hat das nicht etwas hochgradig Ungesundes? Ja, ist es nicht gar ein Ablehnen dessen, was Weiblichkeit gerade ausmacht, nämlich, nicht zerkantet und sehnig, sondern rund und voll zu sein? Pulchra enim sunt ubera quae paululum supereminent et tument modice … Abgesehen davon, daß es offener Zynismus ist, die Folgen des Vorzugs zu bejammern, daß man sich täglich mehr als sattessen kann, während auf der anderen Seite des Globus Mangelernährung und Hungertod an der Tagesordnung sind: abgesehen davon also mögen Menschen wie Frau Schiffer in einem abstrakten Sinn „schön“ sein – doch in ihrer Klapprigkeit zum Gähnen unattraktiv.
von:
Talakallea Thymon - am: 13. Aug, 11:37 - in: O tempora, o mores!